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im Welzow-Drama

Webaumix ist nun ein Fall für den Treuhand-Untersuchungsausschusses im Bundestag Von Mechthild Hahne

  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Anfang Dezember ist das Baumaschinenwerk Welzow von der Belegschaft besetzt. Neue Informationen aus dem BonnerTreuhand-Untersuchungsausschuß könnten den Druck auf die BvS für eine zweite Privatisierung erhöhen.

Vor allem für den Export ist diese Betonmisch- und Abfüllanlage des Welzower Unternehmens vorgesehen

Foto: Mechthild Hahne

Die 74 Kollegen und 14 Auszubildenden geben noch nicht auf. Seit Anfang Dezember halten sie ihren Betrieb, die Baumaschinen Welzow-Webaumix - GmbH, besetzt, um Druck auf die Treuhandnachfolgerin BvS für eine zweite Privatisierung auszuüben. Die erste war mißlungen, nachdem der von der Treuhand eingesetzte und vorbestrafte Geschäftsführer, Herbert Kupelwieser, einige Millionen Mark »verschwinden ließ«. Zwar sitzt der Österreicher nun in Österreich für fünf Jahre wegen Betruges hinter Gittern, doch das Geld ist weg. Ein Grund, warum Webaumix-Geschäftsführer Klaus Geier Ende Oktober die Gesamtvollstreckung beantragen mußte. Dabei gibt es genügend Aufträge, und ein neuer Investor wurde schon 1996 gefunden. Seither versucht auch Helmut Penz von der Magdeburger Hochbau AG, den Betrieb zu übernehmen. Doch die BvS sträubte sich, verschiedene vorgelegte Konzepte zu akzeptieren, grünes Licht für die zweite Privatisierung zu geben und Zuschüsse zu zahlen. Grund genug für die PDS-Bundestagsgruppe, diesen Fall im Treuhand-Untersuchungsausschuß auf die Tagesordnung zu setzen, um die BvS zu Auskünften zu zwingen. Etwa dazu, wieviel Geld von dem kriminellen Geschäftsführer, ins Ausland ^transferiert, wurde und wie hoch die Summe der Subventionen war, die Kupelwieser insgesamt erhalten hat.

Die Geschichte des Werkes ist wechselvoll und erinnert an ein Melodram in vier Akten, Ende offen. Erster Akt: Nachdem der VEB Baumaschinen Welzow 1990 in eine GmbH umgewandelt worden war, bevollmächtigte die Züricher Firma General Trust Company (GTC) AG im Jahre 1992 Helmut Kupelwieser mit dem Kauf des Werkes. Niemand von der Belegschaft wollte den Porschefahrer als neuen Chef, doch die Treuhand sagte: Entweder Kupelwieser oder keiner

Zweiter Akt: Die BvS hatte sich zwar bei der »Schweizerischen Bankgesellschaft« über die Bonität der GTC informiert, doch ein polizeiliches Führungszeugnis mußte der Vorbestrafte offenbar nicht beibringen. Als Kupelwieser den Welzower Betrieb für die GTC übernahm,

hatte die BvS das Baumaschinenwerk von den Schulden befreit und zusätzlich rund acht Millionen Mark Anschubfinanzierung gezahlt.

Der Höhepunkt im dritten Akt: »Wir haben im nachhinein festgestellt, daß Kupelwieser die Summe für den Kaufpreis von zwei Millionen Mark aus dem Topf der Anschubfinanzierung genommen hat«, sagt Betriebsratsvorsitzender Hans Taska. Keinen einzigen Pfennig brachte der »Käufer« selbst auf. Statt dessen räumte er - laut Cottbusser Staatsanwaltschaft - 1,2 Millionen Mark von einem Konto in Welzow ab, zudem fehlen weitere 500 000 Schweizer Franken (umgerechnet etwa 620 000 Mark}. Die Sozialabgaben konnten nicht mehr bezahlt werden. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) strengte die Gesamtvollstreckung an. Die Belegschaft zahlte kurzentschlossen die ausstehende Summe und damit doppelt, nämlich die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile von jeweils 109 000 Mark für die Sozialversicherung.

Doch damit nicht genug. 1,5 Millionen Mark des Kaufpreises mußte Kupelwieser bei der Bank hinterlegen, auf die sich die Treuhand ein Zugriffsrecht vorbehalten hat. Nachdem Kupelwieser 1993 per Fahndung gesucht wurde, nahm die BvS dieses Geld wieder zurück. So wuchs der Schuldenberg des Unternehmens gleich wieder kräftig an. Postwendend folgte ein zweiter Erpressungsversuch durch die Treuhand. Die GTC wollte - nachdem Ku-

pelwieser 1993 verhaftet worden war den Betrieb schnellstens loswerden. Sie bot alle Anteile der Belegschaft an, die notgedrungen - diese treuhänderisch übernahm. »Sonst hätte die Treuhand die Pforten auch gleich wieder dicht gemacht«, betont Taska. In BvS-Sprache heißt das, »eine Rücknahme der Geschäftsanteile durch ZHA/BvS kann und kommt aus haushaltsrechtlichen und VM-Gesichtspunkten nicht in Betracht«.

In Betracht kommt aber, daß acht Millionen Mark Anschubfinanzierung »weg« sind, und daß die Kollegen statt dessen wiederum mit sieben Millionen Mark Schulden dasaßen. Diese wurden 1994 von der Landesregierung übernommen, nachdem sich die Gläubiger bereit erklärt hatten, auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten.

Das retardierende Moment: Nachdem Kupelwieser zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, ging er in Revision und verlangte die Herausgabe seines Eigentums. Er wollte tatsächlich den Betrieb »zurückhaben«. Doch soviel Frechheit war sogar den Justizbehörden zuviel. Sie brummten ihm ein zusätzliches Jahr Gefängnis auf.

Vierter Akt: Noch kein Happy-End in Sicht. Geld für eine Zivilklage hatten wir nicht, um die »verschwundenen« Millionen von Kupelwieser zurückzufordern, bedauert Taska. Die BvS besaß offensichtlich an solch einer Klage auch kein Interesse, fühlt sich offenbar für nichts mehr verantwortlich. Denn auf schriftliche ND-Anfrage, warum sie nicht klagte, gibt sie keine Antwort. Vielmehr sieht sich die BvS in einer passiven Rolle. »Die BvS war hier (bei Gesprächen mit Penz d.R.) nur mittelbar beteiligt«, schrieb BvS-Sprecherin Eva Hertzfeld. Der Untersuchungsausschuß des Bundestags muß nun klären, wer eigentlich die Regie führte bei diesem Trauerspiel. Doch selbst, wenn diese Frage beantwortet wird - vom Publikum kann man für dieses Lehrstück nur Buhrufe erwarten.

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