- Politik
- Das Frühwerk des Malers Wolfgang Frankenstein in der Berliner Galerie Brockstedt
Hoffnung auf das Menschliche
Eine schwarze Figur mit angewinkeltem Bein auf einer Lagerstatt über (oder unter) einer anderen Figur stark abstrahiert eine düstere Szene: »Später Gast«. Das Ölgemälde schuf Wolfgang Frankenstein 1948
Foto:
Galerie Brockstedt
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\i¥ Berliner Nächkriegsmalerei stellt ein Kapitel dar, das in beiden Teilen der Stadt lange zurückstand und auch 50 Jahre später noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Welch spannende Entdeckungen es bereithält, wenn man sich darauf einläßt, zeigt eine Ausstellung in Berlin-Wilmersdorf. Die Galerie Brockstedt ehrt mit einer glänzenden Auswahl früher Arbeiten einen Künstler im 80. Lebensjahr - den Maler Wolfgang Frankenstein.
Rund 30 Gemälde beschreiben seinen Weg von 1945 bis 1949. Dies ist ein fulminanter Eintritt in die Welt der Bilder in schwieriger Zeit. Galt es doch, deutsche Kunst nach ihrem Ausbluten wieder in den europäischen Kontext zu stellen. Welche Anstrengung es den bei Kriegsende 27jährigen kostete, reflektiert das geübte Auge des Betrachters heute eher über Motive und Themen als über die Formen der zuweilen melancholisch gestimmten Werke. Das ist verständlich. Frankensteins Gefühls- und Gedankenwelt war überschattet von der Diktatur, wo der Schüler von Paul Kuhfuß und Max Kaus aus rassistischen Gründen 1937 Studienund später Berufsverbot hatte, sein Vater ins KZ Sachsenhausen kam und er selbst ins Arbeitslager der Organisation Todt.
Die traumatischen Erinnerungen sind auf der Leinwand verarbeitet. Aber auch
die surreale Wirklichkeit der Gegenwart ^erzeugte düstere Bildwelten kubistischer Landschaften zwischen Figürlichem und Abstraktem. Versunkene Schiffe und abgehackte Bäume, eine alptraumhafte »Invasion der braunen Tiere«. Einsam beleuchten Seestern und Mondsichel eine maskenhafte, braun-grüne Kraterlandschaft. Der Vogel hockt gefangen im Käfig. »Ein später Gast« eilt schemenhaft davon. Aufgehoben scheint diese kafkaesk beschworene Geisterwelt in drei klaren, türkisblauen geometrischen Landschaften und dem bekannten kubistisch aufgefaßten Selbstporträt von 1946.
Neben Frankenstein malten damals u. a. Werner Heldt, Hans Uhlmann, Gerhard Moll und der voriges Jahr verstorbene Heinz Trökes. In der legendären Galerie Rosen, die er zeitweilig leitete, gab es 1947 und 1949 Einzelausstellungen. 1953 ging der Künstler nach Ostberlin, da er sich vehement für den Entwurf des besseren Deutschland einsetzte. Nach einer Akademieaspirantur bei Heinrich Ehmsen unterrichtete er in Greifswald und an der Humboldt-Universität, wo er 15 Jahre dem Institut für Kunsterziehung vorstand.
In seiner Kunst wandelte Frankenstein die surreale Poesie und Metaphorik in gesteigerte Expressivität um. Das Frühwerk stand in der DDR nicht im Mittelpunkt. Erst in die Retrospektive zum 70. Geburtstag am Alexanderplatz waren einige dieser Gemälde eingebunden. An-
fang der 90er Jahre erwarb die Berlinische Galerie »Zylinderkonstruktion I« (1947). Als Maler Einzelgänger, war Frankenstein nicht schulbildend. Doch seine Persönlichkeit zog einige Kunstpädagogik-Studenten in die freie Kunst. Einer von ihnen, Hartmut Hornung, nennt Auflehnung gegen etablierte Kunst des »guten Geschmacks« sowie die tiefverwurzelte Hoffnung auf das Menschliche die Grundelemente der Malerei des
Älteren. Sie schaffe eine Verbindung zwischen den Generationen. Eben diese Ausstrahlung ist schon dem Frühwerk immanent.
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