Emaaini »Hoffentlich hat Gott Humor«
Ein Pastor aus Schwarz ermöglicht 11- bis 14jährigen Kindern aus der Ukraine Urlaub bei sich zu Hause Von Jürgen Wutschke
Von Strahlung hat er kaum Ahnung. Sein Russisch ist dürftig. Ukrainisch versteht er nicht. Um aber kranken Kindern zu helfen, schmiert Pastor Kirstein ukrainische Polizisten und wartet acht Stunden beim Patriarchen der orthodoxen Kirche.
Der Pastor des kleinen Ortes Schwarz, Rainer Kirstein (fünfter von rechts), und die Kinder aus Karpilovka. Für vier Wochen erholen sie sich und werden ärztlich' versorgt. Worüber sich die Eltern daheim weit mehr freuen als die Kinder, ist die oft umfangreiche zahnärztliche Betreuung ihrer Schützlinge.
Foto: Wutschke
Dimitri und Jura sitzen in Jogginghosen und bunten T-Shirts vor der Tür des Schwarzer Pfarrhauses, das direkt am Wasser liegt, und rauchen. Sie gehören zu einer Gruppe von 15 Kinder und zwei Betreuern, die in Mecklenburg-Vorpommern beim evangelischen Pastor Rainer Kirstein (34) vier Wochen Urlaub machen. Zu Hause sind Juri und Dimitri im ukrainischen Karpilovka. Ihr Dorf liegt 50 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Mit Sweta, Lena, Ira und den anderen gehen sie dort zur Schule. Und wie alle in dem 650-Seelen-Ort leben sie von dem, was auf den hochgradig verstrahlten Feldern und in den Gärten wächst. Radioaktivität sieht und schmeckt man nicht, also kann sie so schlimm nicht sein.
Lärz, ein Nachbarort von Mirow in der Mecklenburgischen Seenplatte, hat einen Flughafen, auf dem bis 1993 die sowjetischen Soldaten stationiert waren. Ein Offizier kam nach dem Abzug der Truppen aus der Ukraine zurück, um Hilfe für seine kranke Frau zu erbitten, denn in Oster, der Kreisstadt nahe Karpilovka, fehlten Medikamente. »Ob die Krankheit der Frau mit Tschernobyl zusammenhing, wußte niemand. Aber da begann es«, erinnert sich Kirstein.
Im Mecklenburgischen überlegte man, wie den Menschen in der Ukraine geholfen werden kann. Die Kirchengemeinden sammelten Spenden: Decken, Kleidung, Medikamente und Spielzeug. Im Oktober 1993 fuhr ein kleiner Konvoi die 1800 Kilometer nach Oster. Eine Fahrt ins Unbekannte. Nach vier Tagen erreichten die Helfer ihr Ziel, und mit Unterstützung der dortigen Kirche verteilten sie die Spenden.
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