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im Wal-Mart macht sich in Europa breit

Weltgrößter Einzelhändler unterhält »Sweatshops« Von Max Böhnel, New York

  • Lesedauer: 3 Min.

Der weltweit größte Einzelhandelskonzern Wal-Mart Stores Inc. hat vergangene Woche angekündigt, zum Jahresende 74 SB-Warenhäuser der Spar-Gruppe mit einen Umsatz von 2,8 Milliarden Mark zu übernehmen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Wal-Mart die Großmarktkette Wertkauf übernommen. Nun läßt der im US-Bundesstaat Arkansas beheimatete Multi offenbar einen neuen Testballon steigen. Mit seiner Niedrigpreis-Strategie unterbietet Wal-Mart 'den europäischen Riesen Metro AG um rund drei Prozent und Spar um sieben Prozent.

Wal-Mart drängt auf einen Markt vor, dessen Deregulierung durch die Aufhebung von Ladenschlußzeiten und festgelegten Sonderangebotsphasen nur noch eine Frage der Zeit ist. In den USA bietet der Multi auf riesigen Verkaufsflächen quasi rund um die Uhr Waren an - in fast 3000 Kaufhäusern, Großmärkten und Discountgeschäften. Mit 780 000 Angestellten in den USA und 130 000 au-ßerhalb des Landes machte der Konzern 1997 einen Umsatz von umgerechnet rund 190 Milliarden Mark. Das ist mehr als das Dreifache des Umsatzes von Rewe, dem größten BRD-Einzelhändler.

Zu den beliebtesten Waren bei Wal-Mart gehören preisgünstige Kleidungsstücke aus der »Kathie Lee«-Reihe: eine »Marken«-Bluse mit dem aufgedruckten Namen der berühmten Talk-Show-Größe Kathie Lee Gifford zum Beispiel kostet 16,99 Dollar Die Produktionsstandorte von Wal-Mart sind geheim, das Management weigert sich, sie preiszugeben. Doch das »National Labor Committee« (NLC), ein Bündnis aus US-Gewerkschaftern und

religiösen Gruppen, hat seit einigen Monaten eine Kampagne gegen die »Sweatshop«-Politik von US-Firmen wie Esprit, Nike und Wal-Mart initiiert. Wal-Mart, so das Ergebnis, läßt in mindestens 48 gewerkschaftsfeindlichen Niedriglohn-Ländern produzieren.

In Bangladesch, so das NLC, nähen 9bis 12jährige Kinder nach Mitternacht Wal-Mart-T-Shirts für 5 Cents (rund 9 Pfennig) pro Stunde zusammen. In Guatemala erhalten Dreizehnjährige für eine Dreizehnstunden-Schicht bei sieben Tagen pro Woche einen Stundenlohn von 31 Cents. In Honduras produzieren Jugendliche für 25 Cents »Kathie-Lee«-Hosen, für die Wal-Mart in den USA, unter Abzug der Verkaufssteuer, 19,99 Dollar einfährt. Frauen in Haiti erhalten 6 Cents für 19,99-Dollar-Kinderkleidung. Und in China, mit schätzungsweise bis zu 1000 Wal-Mart-Fabriken einer der größten Zulieferer, stellen Frauen in einer 70-Stunden-Woche »Kathie-Lee«-Handtaschen her - für 3,44 Dollar pro Woche.

Über zwei Drittel der Wal-Mart-Artikel werden im Ausland hergestellt. Die NLC-Aktivisten, die anonym in die »Sweatshops« einsickern und sich in den Wal-Mart-Kaufhäusern »Markenartikel« notieren, weisen allerdings darauf hin, daß sie keinesfalls für die Schließung der Wal-Mart-Fabriken in der »Dritten Welt« plädieren. Denn der um sein Image besorgte Konzern verlagert, wenn zum Beispiel seine Praktiken in Haiti bekannt werden, schlagartig nach Indonesien, und produziert so von einem auf den anderen Tag Arbeitslose. Das NLC fordert unabhängige Beobachter in Fabriken, die Wal-Mart angeschlossen sind, damit die Arbeitsbedingungen ans Tageslicht kommen. Vom US-Arbeitsministerium, das sich selbst mit einer »No-Sweatshop«-Kampagne schmückt, ist außer schönen Worten allerdings kaum etwas zu vernehmen.

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