Alias Topas

ARD-Doku über Rainer Rupp

  • Herbert Kloss
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Kalte Krieg befindet sich auf dem Höhepunkt. Ost und West stehen hochgerüstet mit mehrfacher Overkill-Kapazität gegeneinander in Lauerstellung. Derweil weidet zwölf Jahre lang unentdeckt ein Kundschafter des DDR-Geheimdienstes die NATO-Zentrale in Brüssel aus. In seinem Weinkeller fotografiert er streng gehütete NATO-Geheimdokumente Die gestern in der ARD ausgestrahlte Dokumentation erzählt erstmals öffentlich die Biografie des Jahrhundert-Spions Rainer Rupp alias »Topas« im NATO-Wirtschaftsdirektorat in Brüssel (1977-1993). Filmisch umgesetzt hat sie das gleiche Team, das bereits 1999 die Story »Der Überläufer« über den Verfassungsschützer Hansjoachim Tiedge für den MDR produziert hatte: der erfahrene Fernsehjournalist Jörg Hafkemeyer, der Dokumentarist Peter Hellmich und die CINTEC Film und Fernseh-Produktion (Berlin). Ihnen ist eine in der deutschen TV-Geschichte wohl einmalige Dokumentation mit exklusiven Interviews gelungen: Fast alle an der Spionageoperation »Topas« beteiligten DDR-Geheimdienstler reden frei vor Kamera und Mikrofon: die ehemaligen Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, die Generale Werner Großmann und Markus Wolf sowie dessen Stellvertreter Horst Jänicke, Rupps Führungsoffiziere, die Oberste Karl Rehbaum und Jürgen Rogalla und auch der langjährige Instrukteur Heinz Schmidt, ferner der Ex-KGB-Chef Wladimir Krjutschkow sowie an der Fahndung beteiligte westliche Abwehrmänner und Rupps NATO-Kollegen. Der Film ließ den Zuschauer spüren, dass die früheren HVA-Offiziere und -Instrukteure nicht nur eine professionelle nachrichtendienstliche Verbindung zur »Quelle Topas« unterhalten hatten, sondern dass auch eine enge freundschaftliche Beziehung bestand und weiterhin besteht, eben weil sie auf gemeinsamen politischen Überzeugungen und Zielen gründet. In zweieinhalbjähriger Arbeit hat das Filmteam in Berlin, Brüssel, Antwerpen, Moskau und Luxemburg gedreht. Detailgetreu, anschaulich, einfühlsam und spannend bis zur letzten Minute ist die Story verarbeitet: die Anwerbung des linken Mainzer Studenten 1968 (»Ich wollte verhindern, dass neue Nazis an die Macht kommen«), seine Agentenausrüstung (Container, A-3-Kurzwellenempfänger und Kameras zur Dokumentenfotografie) und die Tatorte: die Führungs- und Instrukteurtreffs sowie der Weinkeller. Für DDR-Spionagechef Großmann waren die »Topas«-Dokumente »Highlights«, für den Westen jedoch »der GAU schlechthin«, so Bundesanwalt Hermann von Langsdorff. Durch Verrat (HVA-Oberst Heinz Busch und »Rosenholz«-Kartei der HVA bei der CIA) fliegt Rupp 1993 auf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilt ihn ein Jahr später zu zwölf Jahren Haft; seine mitangeklagte Ehefrau (»Türkis«) sowie die Führungsoffiziere Rehbaum und Klaus Rösler kommen mit Bewährungsstrafen davon. Als Rupp im Juli 2000 entlassen wird, bereut er seine Tat nicht. Er ist sich sicher, der Sache des Friedens gedient zu haben. Der Osten wusste fast alles über die NATO, griff aber nicht an. Der Frieden blieb gewahrt. Der Film beantwortet leider nicht die Frage, ob gerade wegen des Top-Spions »Topas«?

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