Auch Mieter zahlen für Straßenausbau

Widersprüchliches aus dem Haus der Stadtentwicklungsverwaltung zum Gesetzentwurf

  • Karin Nölte
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Straßenausbaubeitragsgesetz - bislang nur ein Entwurf des Senats - stolpert vor sich hin. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hatte noch am Tag des Senatsbeschlusses am 4. Oktober auf ND-Anfrage erklärt, nein, ein Vermieter könne den Beitrag nicht unter Hinweis auf eine Modernisierung auf die Miete umlegen. Ihr Senatsbaudirektor Hans Stimmann widersprach dem schon am 12. Oktober in einem Schreiben an die Bezirksbaustadträte, das zu Einwänden der Branchenverbände Stellung nimmt. Der Einwand hieß: »Bevölkerungsstruktur verbietet einseitige Belastung. Berlin hat nur 12 Prozent Grundeigentümer, aber 88 Prozent Mieter.« Entgegnung Stimmanns: »Schiefe Sicht. Betragspflichtig sind die Grundeigentümer, die - bei wirtschaftlicher Nutzung des Grundstücks - ihre Belastungen mittel- und langfristig auf ihre Mieter und Pächter abwälzen werden.« An anderer Stelle wird auf die Kritik, dass die Mieten steigen werden, weil die Straßenausbaubeiträge unmittelbar auf die Wohnungsmieten umgelegt werden können, unumwunden zugegeben: »Das ist zutreffend.« Kaum beschwichtigen kann der Verweis, dies könne »verhindert werden durch Hilfen/Billigkeitsmaßnahmen gegenüber den Vermietern.« Die Fraktion der Linkspartei.PDS ist überrascht. »Bisher hat die Verwaltung der PDS immer versichert, dass die Mieter nicht an den Kosten beteiligt werden«, sagte der Abgeordnete Marian Krüger dem ND. »Diese Stellungnahme kann man als Aufforderung an die Hausbesitzer verstehen, die Kosten auf die Mieter abzuwälzen.« Das zeige, dass nicht nur Siedlungsgebiete, sondern auch die Innenstadt betroffen sein wird, so Krüger. Diese Haltung des Senats - die Investoren/Vermieter werden unterstützt, die Eigenheimbesitzer/- Mieter müssen zahlen - bestätigt auch der »Vertrag über die städtebauliche Maßnahme Alexanderstraße (Nord)«, der ND ebenfalls vorliegt. Hier wollen bekanntlich portugiesische Investoren das Mega-Einkaufs-und-Freizeitzentrum »Alexa«, im Volksmund »Banane« genannt, errichten. Die Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO ist zuständig, das Grundstück »baureif« zu machen, was seit einigen Monaten auch geschieht. Dazu gehört der Ausbau der Straßen. Einen Beitrag von den Investoren zu verlangen, schließt der Vertrag aus: Berlin werde »für die Grundstücke des Vertragsgebiets keine Erschließungsbeiträge nach BauGB oder Abgaben nach einem künftigen Straßenbaubeitragsgesetz für die Herstellung oder Verbesserung von Straßen erheben«, ist festgelegt. Damit werden die Investoren sogar von einem Gesetz freigestellt, das es noch gar nicht gibt. Unter Umständen kann es ja angeraten sein, dass ein Verkäufer, hier das Land Berlin, ein Grundstück zunächst durch Erschließungsarbeiten aufwertet, um Veräußerung und städtebauliche Pläne zu ermöglichen. Ausgaben hierfür können bestenfalls über den Preis zurückgeholt werden. Aber: Große Investoren können verhandeln, Eigenheimbesitzer und Mieter nicht. Den Kleinen das schwer verdauliche Gesetz schmackhaft zu machen, argumentierte Senatorin Junge-Reyer schließlich, der Wert ihrer Grundstücke würde steigen. Dem hält Baudirektor Stimmann entgegen: »Richtig ist: Der Straßenausbau gewährt keine Vermögensvorteile der Anliegergrundstücke, sondern lediglich Benutzungsvorteile.« Und dann versprach Junge-Reyer in Härtefällen auch noch Stundung, Ratenzahlung oder Erlass des Beitrags. Doch den Einwand zu § 20 des Gesetzes, die Regelung über die Fälligkeit des Beitrags nach einem Monat sei zu kurz und solle auf drei Monate verlängert werden, weist Stimmann zurück: »Eine Verlängerung widerspricht den Regeln des Haushaltsrechts; sie käme einer Stundung gleich, wofür es keine guten Gründe gibt.«

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