Ministerium: Berufsverbote hat es nicht gegeben

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor 40 Jahren schuf eine Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem so genannten Radikalenerlass die Grundlage für zahlreiche Berufsverbote: Millionen Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden auf ihre „Verfassungstreue" hin durchleuchtet, Tausende wurden mit Verfahren überzogen, Hunderte wegen politischer Gründe aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Lehrer waren genauso betroffen wie Postboten, Bahnbedienstete wie Sozialarbeiter. Die Berufsverbotepraxis wurde international unter anderem von der Arbeitsorganisation ILO und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Und noch immer fordern Hunderte ihre Rehabilitation.

Im Sommer hatte eine Delegation von 255 Betroffenen eine Resolution im Kanzleramt übergeben - unter anderem mit der Forderung nach Herausgabe der sie betreffenden Verfassungsschutzakten und einer materiellen Entschädigung. Die Bundesregierung hat die Petition zwar zur Kenntnis genommen - mehr aber auch nicht.

Was in den vergangenen Wochen im Meer der vielen Schlagzeilen ein wenig untergegangen ist: Das Bundesinnenministerium ist offenbar immer noch nicht einmal bereit, von Berufsverboten zu sprechen; sie behauptet sogar, es habe keine Bespitzlung kritischer Organisationen gegeben. Und sie sieht auch weiterhin „keinen Anlass", eine politische Auseinandersetzung über das zu führen, was die Linksfraktion im Bundestag eine „schwerwiegende Beschädigung der demokratischen Kultur" nennt. Sie hatte bereits mehrfach Stellungnahmen der Regierung eingeholt und - bisher vergeblich - im Parlament die Aufhebung der Berufsverbote und die Rehabilitierung der Betroffenen gefordert.

Bewegung scheint es in der Sache kaum zu geben. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei heißt es Mitte September lapidar, die Bundesregierung plane keine Initiativen zur Rehabilitierung; auch bloß über eine Entschuldigung will Schwarz-Gelb demnach nicht nachdenken. Bereits im August hatte ein Abteilungsleiter des Innenministeriums auf die Petition von 255 Betroffenen abgestritten, dass es überhaupt Berufsverbote gegeben habe - jedenfalls stelle die „Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kein Berufsverbot dar". Sondern? Im Ministerium heißt es noch immer im Geist der alten Bundesrepublik und im Tenor früherer Äußerungen, der Rauswurf Hunderter sei „eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes" gewesen.

Der Lehrer Klaus Lipps, der wegen seiner Mitgliedschaft in der DKP in den 1970er Jahren aus dem Schuldienst geworfen wurde, und Michael Csaszkóczy, der sich erst vor wenigen Jahren gegen Versuche zur Wehr setzen musste, ihn wegen seines Engagement in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg mit Berufsverbot zu belegen, haben die unbeirrte Haltung der Regierung scharf kritisiert. Man sei „empört über die Ignoranz und Geschichtsblindheit" und wolle weiterhin „für die Aufarbeitung der Berufsverbote und die Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen" kämpfen.

In einem Brief an die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestag, Kersten Steinke, hat Lipps unterdessen klargestellt, dass die Petition der 255 Betroffenen „keinesfalls als erledigt" angesehen werden könne. Lipps will nach Rücksprache mit Juristen noch eine detaillierte Stellungnahme nachreichen. Das Schreiben aus dem Innenministerium gehe „in entscheidenden Teilen an der konkreten Wirklichkeit, wie wir und Hunderte Anderer sie erleben mussten, weit vorbei".

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