Wege zur Kommunismus-App
In Berlin trafen sich Freunde und Entwickler des Betriebssystems Ubuntu
»Träumerisches Ozelot« haben sie den Raum genannt, in dem sich nun Softwareentwicklerin Betti Österholz über »45 Byte Ersparnis« freut. Am anderen Ende des Ganges redet im »schicken Narwal« ein junger Mann darüber, wie man auch auf kleinen Bildschirmen noch alles sieht. »Einführung in die KDE-Plasma Workspaces« nennt er das. Am Wochenende trafen sich Entwickler und Anwender des Betriebssystems Ubuntu auf der Ubucon 2012. »Das zentrale Event der deutschsprachigen Ubuntu-Community« verspricht die Einladung. Sicher ist: Die merkwürdigen, von Versionsbezeichnungen des Betriebssystems übernommenen Raumbezeichnungen sind nicht die einzige Eigenart dieser Bewegung.
Was die jungen, überwiegend männlichen, Gäste jedes Jahr zusammenbringt ist ein Computerprogramm: Ubuntu - eine Open Source Linux Distribution auf Debian-Basis. Oder einfacher: Eine Art kostenloses Windows zum Mitmachen. »Stell dir vor du gehst zu einer Messe und das, was dort beworben werden soll, liegt überall schon kostenlos herum«, erklärt der 17-jährige Axel die Vorzüge des Betriebssystems, das vor acht Jahren auf den Markt kam. Von seinem Informatiklehrer wurde er auf das Programm aufmerksam gemacht. »Mittlerweile bietet Ubuntu alles, was Microsoft auch kann, nur kostenlos und frei veränderbar«, schwärmt er von der Software, die schätzungsweise 25 Millionen Anwender weltweit gefunden haben soll.
Doch auf den ersten Blick wirkt auch die Ubucon nicht anders als andere Computer-Veranstaltungen: Im »Ozelot-Raum« lernen Interessierte die Möglichkeiten von Bildbearbeitung. Ein 17-jähriger Schüler führt nebenan in eine Programmiersprache ein, während eine Etage tiefer ein Manager über den erfolgreichen Einsatz Ubuntus in seinem Unternehmen berichtet.
Selbst die Szenerie entspricht dem Klischee, die fachfremde Besucher von solchen Veranstaltungen haben: Die ersten Worte am Empfang gelten den Zugangsmöglichkeiten zum örtlichen Computer-Netzwerk. In den Seminarräumen verstecken die meisten Besucher ihre Köpfe hinter Latop-Bildschirmen. Im Aufenthaltsraum stapeln sich Kästen mit Matetee-Brause. Am Fenster hängt der mit Netzwerkkabel befestige obligatorische Pinguin - eine Art Wappentier der Szene.
Natürlich diene die Veranstaltung in erster Linie dazu, neue Software-Entwicklungen vorzustellen, sagt Torsten Franz. Er ist einer der Organisatoren der Veranstaltung, die nach Krefeld und Leipzig nun in den Räumen der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur in Berlin stattfindet. Hinter den Versionsmaskottchen wie Narwalen, Schuppentieren und Ozelots verstecke sich »mehr als ein kostenloses Computerprogramm«. In südafrikanischen Bantusprachen bedeutet Ubuntu so viel wie »Menschlichkeit« oder »Nächstenliebe«.
Eine ganze Philosophie hat sich in der zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts im Süden Afrikas um den Begriff entwickelt. Ein Betriebssystem zu entwickeln, das »jedem gehört und den Menschen in den Mittelpunkt stellt«, sei deshalb Ziel des Projekts, erklärt Franz. Die einfachen und benutzerorientierten Bedienmöglichkeiten gelten deshalb als Erfolgsursache des Betriebssystems. »Es ist auch einfach schön, mal gemeinsam einen Trinken gehen zu können«, beschreibt Axel den anderen sozialen Aspekt der Veranstaltung. »20 Uhr: Social Event«, heißt das im Programmplan. Der Veranstaltungsort: weder Ozelot noch Narwal, sondern ein Restaurant am Alexanderplatz. Und falls es doch nicht klappen sollte mit der freien Kommunikation, gibt es dort zur Not auch WLan.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.