Reif für die Insel

Kubas »Industrie ohne Schornsteine« gilt als sichere Einnahmequelle

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die einen künftig leichter ausreisen können, kommen andere liebend gern auf die Karibikinsel - als Urlauber. Aus einem Bericht des Nationalen Statistikbüros (ONEI) geht hervor, dass Kubas »Industrie ohne Schornsteine«, der Tourismus, »gesunden Zuwachs« aufweist.

Der hiesige Sommer lockt normalerweise weniger Touristen ins Land als die Monate Oktober bis Februar, denn der kubanische Sommer ist nicht jedermanns Sache. Doch seit drei Jahren stimmt diese Erfahrung nicht mehr. Selbst in der Vorsaison waren durchschnittlich 65 Prozent der Hotelbetten belegt. Werbekampagnen kubanischer Reisebüros in Argentinien, Mexiko und Russland zahlen sich aus. Wie ein Manager von Havannatour weiß, hat der »arabische Frühling« Zigtausend Europäer bewogen, Nordafrika als Reiseziel zu streichen. »Vor allem die Deutschen reagieren sensibel. Wenn es irgendwo brenzlig wird, sehen sie sich woanders um.« Auch 20 Prozent mehr Franzosen haben sich Kuba zugewandt.

An erster Stelle aber steht wie seit Jahren Kanada mit 650 000 Kuba-Urlaubern von Januar bis Juni 2012, gefolgt von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Russland, Spanien, Mexiko und Venezuela.

Vor vier Jahren hat die Regierung Raul Castros ihren Landsleuten zugestanden, dass sie sich, wenn es ihr Geldbeutel erlaubt, auch in irgendeines der 335 repräsentativen Hotels einmieten dürfen. Bis dahin war das nur Flitterwöchnern oder vorbildlichen Arbeitern und Bauern gestattet, die mit ihren Nationalpesos bezahlen konnten. Der Staat überwies für sie an die ausländischen Hoteliers den fälligen Betrag in harter Währung. Die Devisenetablissements reagierten mit »angemessenen moderaten Preisen« für Kubaner, die davon zunächst zögernd, dann jedoch regen Gebrauch machten. Wobei aus dem ONEI-Bericht nicht hervorgeht, wer davon Inselkubaner oder Emigrant mit kubanischer Staatsangehörigkeit war. Immerhin sind inzwischen fast 400 000 Kubaner im privaten Sektor tätig und manche verdienen eine Menge Geld.

Als US-Präsident Barack Obama einige Blockaderestriktionen für Kubareisen außer Kraft gesetzt hatte, hoffte das hiesige Fremdenverkehrsgewerbe auf einen Boom. 2010, schätzt man, landeten hier 375 000 Kubano-Amerikaner und 63 000 US-Bürger. Doch die meisten kamen bei Familien und Freunden unter - für Hotels also kein Gewinn. Washington hat zwar die Erleichterungen nicht rückgängig gemacht, dafür aber alte Hindernisse aus den Helms-Burton-Gesetzen hervorgekramt, die schon vergessen schienen. Die Zahl der Besucher aus den USA ging daraufhin wieder zurück. Seither flanieren ungewöhnlich viele Amerikaner durch Kirchen, Museen, Schulen oder Krankenhäuser. Das sind die, die eine behördliche Reiselizenz erworben haben, mit der sie sich verpflichten, keinen Erholungsurlaub auf der Insel zu machen, sondern ihren Besuch als Bildungsreise in religiösem oder kulturellem Rahmen zu betrachten. Reiseunternehmer in den USA mussten bereits vertraglich gebuchte Reisen streichen und Angestellte entlassen, außerdem verloren sie viel Geld, klagen sie.

Die spanische Hotelkette Meliá wirbt indessen um einheimische kubanische Kunden für ihre 25 Einrichtungen. Von Januar bis August buchten zwischen 15 und 20 Prozent mehr Kubaner bei Meliá als im gleichen Zeitraum 2011. Kanadische, britische und mexikanische Unternehmen sind an einem anderen Geschäft interessiert: Sie würden gern in den kommenden zehn Jahren 20 Golfanlagen aus dem Boden stampfen. Das ist bis jetzt allerdings nur ein Gerücht. Eine existiert bereits in Varadero, eine andere kleinere in Havanna.

Im Moment bringt der Tourismus Kuba Einnahmen von etwa 2,3 Milliarden Dollar brutto. Er ist für die Wirtschaft eine relativ sichere Bank. Bis Ende des Jahres erwartet Kuba mindestens 2,9 Millionen Touristen, 2013 sollen es 3 Millionen sein.

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