Clevere Münchner
FC Bayern schaut nach dem dürftigen Auftritt beim 1:0 in Lille in der Königsklasse hoffnungsvoll nach vorn
Karl-Heinz Rummenigge sah offensichtlich keinen Anlass, eine schwungvolle Rede zu halten. Also machte es der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München kurz. »Dieses Spiel«, sagte er im eher schmucklosen Theatersaal eine Etage über dem Casino von Lille, »wird sicher nicht in die Geschichtsbücher der Champions League eingehen.« Aber, ein Sieg sei nun mal ein Sieg, »wir können auch in der Champions League wieder hoffnungsvoll in die Zukunft schauen«, ergänzte Rummenigge. Dann eröffnete er eiligst das Buffet.
Tatsächlich hätte es einiges zu bereden gegeben nach dem 1:0 (1:0) des FC Bayern gegen OSC Lille. Etwa: Wie kann es sein, dass der Rekordmeister in der Bundesliga in einer zum Teil glanzvollen Manier die Gegner dominiert und einen Startrekord aufstellt, dann aber in der Champions League davon überhaupt nichts zu sehen ist? »Wir haben nicht so brillant gespielt wie in den letzten Wochen, aber auch das gehört zum Alltag«, sagte dazu Trainer Jupp Heynckes. Dies sei eben »europäisch cleverer Fußball« gewesen, fügte er an: »Die europäische Bühne ist kein Wunschkonzert. Wir mussten gewinnen, das haben wir gemacht, das zählt.«
Die wichtigste Erkenntnis aus Gruppenspiel Nummer drei in der Champions League also ist: Der FC Bayern ist wieder auf Kurs nach der unerwarteten Niederlage gegen BATE Borissow (1:3) drei Wochen zuvor in Minsk. »Es war ein wichtiger Sieg«, betonte nicht nur Rummenigge, »wir standen unter Druck.« Die Münchner haben nun sechs Punkte, ebenso wie der FC Valencia und Borissow, Lille, am 7. November zu Gast in der Münchner Arena, ist punktlos - und praktisch raus. Heynckes hält das für eine »optimistische Ausgangsposition«.
Zweite wichtige Erkenntnis aus dem Spiel in Lille: Es gibt beim FC Bayern tatsächlich noch Spieler, die in der Champions League zu einem Torerfolg durch Elfmeter fähig sind. Thomas Müller, verriet Heynckes nach dem Spiel, ist mittlerweile Schütze Nummer eins für den Fall der Fälle. Nachdem also Philipp Lahm im Strafraum leicht geschubst worden war und Schiedsrichter Martin Atkinson aus England auf Elfmeter entschieden hatte, nahm sich Müller des Balles an, lief an und verwandelte mühelos (20.). Dabei war es sein erster Elfmeter in der Bundesliga oder der Königsklasse überhaupt.
Ein verwandelter Elfmeter des FC Bayern in der Champions League hat schon beinahe den Hauch des Exotischen: Den bislang letzten im Verlauf eines Spiels der Königsklasse vergab Stürmer Mario Mandzukic Mitte September beim Gruppenauftakt gegen den FC Valencia (2:1). Den vorletzten hatte Arjen Robben verschossen, in der 108. Minute des Endspiels der Champions League 2012 im Mai gegen den FC Chelsea London - beim Stand von 1:1. Dazwischen fand auch noch jenes denkwürdige Elfmeterschießen statt, in dem Bastian Schweinsteiger nur den Pfosten traf.
Nicht auszudenken, wenn Müller nicht getroffen hätte: Denn die Statistiker der Europäische Fußball-Union (UEFA) zählten ansonsten in den 90 Minuten nur einen einzigen weiteren Schuss des FC Bayern direkt auf das Tor von Lille. Wohl deshalb hielten sich die Münchner Spieler mit einer gewissen Erleichterung nur allzu gerne mit dem Elfmeter von Thomas Müller auf. Dieser, behauptete Schweinsteiger, »habe eine spezielle Art zu schießen«, das sehe irgendwie »komisch« aus - »aber endlich hat er es mal zeigen können«.
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