Keine Jobs durch eine soziale Mischung

Soziologen Holm hält angebliche Vorteile der Auflösung von Arbeiterquartieren für unbewiesen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir haben kein Problem mit der Mischung, wir haben ein Problem mit der Miete.« Fatma Takan von Kotti & Co. spricht im Kreuzbergmuseum aus, was an diesem Abend viele denken. Das Thema der Veranstaltung lautet: »Mieten - Mischung - Mehrwert«.

Die Soziologin Manuela Bojadzijev, Mitunterzeichnerin des Aufrufs »Für eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik«, fasst ihre Begeisterung für die Initiative, die sich unmittelbar am Kottbusser Tor gegen Mieterhöhung und Verdrängung wehrt, zusammen: Es sei wie bei dem alten Spiel »Liebe ist...« Liebe sei Kotti & Co.. Das Nachbarschaftsnetzwerk harrt seit 21 Wochen mit einem Protestcamp aus. Mittlerweile gibt es einen winterfesten Container. Das ist ein großer Schritt in einer langen Geschichte von Initiativen und Kampagnen, die sich rund um die Idee einer sozialen Stadt Berlin bereits gegründet haben.

Kämpfe gegen Aufwertung und Verdrängung gebe es schon seit Jahrzehnten, erinnert Veranstaltungsmoderatorin Britta Grell an die Kampagnen der 1990er Jahre, an »Wir bleiben alle« und an andere Aktion. Dennoch weise die Kotti & Co. über die konkrete Situation in der Gegend am Kottbusser Tor hinaus. Mit Kotti und Co. scheinen die Migrationsgeschichte Berlins und vor allem die damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen wieder auf. Schließlich haben die Menschen, die seit Jahrzehnten in Kreuzberg wohnen, diesen Ort nicht frei gewählt. Sie wurden dorthin gewiesen.

»Warum haben meine Eltern nicht in Steglitz oder Wannsee gewohnt?«, fragt Zehra Ulutürk. Fatma Takan ergänzt: Warum frage eigentlich dort niemand nach der »gesunden Mischung«, wie es kürzlich eine Vertreterin der vor sechs Jahren privatisierten Wohnungsbaugesellschaft GSW formulierte. Kathrin Lompscher, Abgeordnete der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärt den Verkauf der Gesellschaft für Sozialen Wohnungsbau (GSW) unter Rot-Rot mit einer »Notlage«.

Das soziale Netz am Kottbusser Tor, die »XXL-Familie«, wie es Ulutürk nennt, soll nun zerstört werden. Aber was die Menschen hier aufgebaut haben, wollen sie nicht so einfach wieder hergeben. Durch die alltäglichen Erfahrungen von Entrechtung und Entmündigung zum Beispiel durch Rassismus haben viele schon lange vor dem Protestcamp gelernt, zu kämpfen.

Obwohl es am Anfang viel Zweifel an einem möglichen Erfolg gab, erzählt Ulrike Hamann, und auch wenn es aufreibend und »mittlerweile auch kalt« sei - der gemeinsame Umgang ist von Respekt, Neugier und viel Spaß miteinander geprägt und darin liege auch die Kraft. Für den Soziologen Andrej Holm ist Kotti & Co. »der Lösungsansatz für repolitisierte Stadtgesellschaften«. Holm nimmt an diesem Abend den Begriff der »Sozialen Mischung«, der in der Stadterneuerungsdebatte immer wieder als Leitbild der Modernisierung auftaucht, auseinander. Hinter der Rede von »unausgewogenen Sozialstrukturen und Parallelgesellschaften« verberge sich nichts weiter als das schon mehr als ein Jahrhundert existierende Interesse, aus der Nachbarschaft von Arbeitern kontrollierbare Quartiere zu formen. Mit der angeblich notwendigen Beseitigung von Elendsquartieren werde dann mitunter sogar behauptet, die Verdrängung sei gut für die Armen, weil es mit neuen Nachbarn neue Jobs gebe. Dafür gebe es allerdings keinen einzigen empirischen Beweis.

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