Da war doch was?! Potsdamer Wahlkampf mit der Roten Hilfe

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Mal wieder die Rote Hilfe: In Potsdam ist der designierte Direktkandidat der Linkspartei, Norbert Müller, wegen seiner Mitgliedschaft in der Solidaritätsorganisation in die Schlagzeilen geraten. Besser gesagt: Die "Potsdamer Neuesten Nachrichten" haben eine daraus gemacht, Müller sei in einer „linksextremen Organisation" und deshalb gebe es nun „Streit". Der besteht vor allem darin, dass die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein erklärt, der Mann von der Linkspartei habe sich wegen seiner Mitgliedschaft in der Roten Hilfe als Kandidat delegitimiert.

Der Kreisvorsitzende der LINKEN in Potsdam, Sascha Krämer, hat Wickleins Äußerung als „billige Wahlkampfpolemik" zurückgewiesen. Müller selbst hatte sich gegenüber der Zeitung auf deren Anfrage hin ausführlich zu seiner „seit Jahren bekannten" Mitgliedschaft geäußert. Dass die Rote Hilfe so wie zahlreiche andere Organisationen im Verfassungsschutzbericht auftaucht, sage weniger etwas über den Verein selbst als über die Beobachter, so Müller.

Das ist das eine. Das andere ist die Erinnerung: 2007 zum Beispiel geriet die damalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel wegen ihrer Mitgliedschaft in der Roten Hilfe unter den Druck der veröffentlichten Meinung. Auch in diesem Fall war längst bekannt, dass Drohsel die Organisation als Beitragszahlerin unterstützt. Hamburger Jusos nutzten die Schlagzeilenmaschine, um den Fall zur Schwungmasse der politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Jusos zu machen. Drohsel trat schließlich aus der Roten Hilfe aus. Oder 2008: Da gab es große Aufregung, weil die Linksfraktion im hessischen Landtag die Rote Hilfe als Sachverständige in einer Anhörung über das damals zur Reform anstehende Polizeigesetz benannt hatte. Die CDU empörte sich seinerzeit über die „linksextreme Kadergruppe".

Im selben Jahr wurde die frühere PDS-Politikerin Angela Marquardt Mitglied bei den Sozialdemokraten. Die Sache selbst hatte schon das Zeug für viel Aufmerksamkeit, dann titelte stern.de: „SPD-Neuling verteidigt Rote Hilfe". Doch Marquardt ließ die Wogen der Empörung abtropfen: „Die Rote Hilfe ist in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Hilfe - unter anderem im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Deswegen diskutiere ich nicht darüber." Marquardt erntete für ihre Haltung Respekt. Sehr zu Recht.

Schon kurz zuvor, im Winter 2007, waren wegen der Debatte über Juso-Frau Drohsel eine Reihe von Politikern der gerade fusionierten Linken in die Rote Hilfe eingetreten - um gegen „Duckmäusertum" zu protestieren. In einer Erklärung, die unter anderem von den Bundestagsabgeordneten Katja Kipping, Michael Leutert und Sevim Dagdelen sowie Landtagsabgeordneten der Linkspartei aus Sachsen unterzeichnet wurde, hieß es: „In Zeiten, in denen Teile der Exekutive linkes Engagement kriminalisieren, anstatt sich aktiv der Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung neofaschistischer Gewalttaten zu widmen, muss die Unterstützung politisch Verfolgter aus dem linken Spektrum wachsen."

Die Sätze sind fünf Jahre alt, und doch ziemlich aktuell. In Zeiten, in denen die Aufarbeitung der NSU-Morde und der Verstrickung von Sicherheitsbehörden nicht nur in der gesellschaftlichen Linken die Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes, die Kritik an der Arbeit des Inlandsgeheimdienstes und an der Konstruktion des Extremismusvorwurfs wächst, fällt die wohlfeile Skandalisierung einer Mitgliedschaft in der Roten Hilfe auf jene zurück, die sich davon einen politischen Geländegewinn erhoffen.
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