Faustschlag und Spray ins Gesicht
Polizisten wegen Einsatz in Göttingen 2011 angeklagt
Göttingen (nd-Paul). Es war eine Demonstration wie viele andere in Göttingen auch. Am 22. Januar 2011 protestiert die linke Szene der Stadt gegen die zwangsweise Entnahme von DNA bei einem Antifaschisten. Ein unverhältnismäßig großes Polizeiaufgebot begleitet den Marsch von rund 700 Linken durch die Innenstadt und nimmt die Demonstranten ins Spalier. Die Stimmung ist gereizt. »Haut ab«-Rufe, Pfiffe, Gedrängel.
Wie üblich, filmt die Polizei das Geschehen. Aber dieses Mal drehen auch Demonstrations-Beobachter ein Video. Eine Sequenz zeigt, wie ein behelmter Polizist offenbar unvermittelt einen am Rande stehenden Teilnehmer der Kundgebung mit der Faust ins Gesicht schlägt. Ein anderer Beamter - auch das ist auf dem Film zu sehen - sprüht dem 37 Jahre alten Mann aus kurzer Distanz Pfefferspray ins Gesicht. Der Betroffene erleidet Kopf- und Augenverletzungen.
Auf Grundlage des Videos hat die Göttinger Staatsanwaltschaft die beiden Beamten ermittelt und wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt angeklagt, wie eine Behördensprecherin auf Anfrage bestätigt. Den Angaben zufolge haben die Beschuldigten ihr Vorgehen damit begründet, dass sie einem von Demonstranten eingeschlossenen Kollegen hätten zu Hilfe kommen wollen. Der 37-Jährige habe sich ihnen in den Weg gestellt. Die 29 und 32 Jahre alten Polizisten gehören einer Einheit der Bereitschaftspolizei aus Hannover an, die zu der Demonstration abkommandiert war.
Körperverletzung im Amt ist ein sogenanntes Offizialdelikt. Erhält eine Strafverfolgungsbehörde Kenntnis von einem solchen Vorwurf, muss sie von sich aus ermitteln. Das Vergehen wird mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, in weniger schweren Fällen ist auch eine Geldstrafe möglich. Der verletzte Demonstrant tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Wann die Verhandlung vor dem Göttinger Amtsgericht stattfindet, ist noch unklar.
Der Anwalt des verletzten Demonstranten hat zudem Anzeige gegen die Beamten eines Sondereinsatzkommandos erstattet, die bei einem Einsatz Ende Oktober in Rollshausen (Kreis Göttingen) zunächst in eine falsche Wohnung eingedrungen waren. Die Betroffenen schildern den Einsatz als äußerst brutal: Sechs bis sieben vermummte Männer seien in das Schlafzimmer gestürmt, der Mann sei im Bett liegend mit Kabelbindern gefesselt worden. Erst danach habe man nach seinem Namen gefragt. Als er ihn genannt habe, sei den Beamten klar geworden, dass sie im falschen Stockwerk waren.
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