Reißwolf-Affäre fordert Köpfe

Opposition wertet Henkels-Befreiungsschlag aus NSU-Krise als missglückt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sollte ein persönlicher Befreiungsschlag sein. Mit deutlichen, klaren Worten kündigte der arg in Bedrängnis geratene Innensenator Frank Henkel (CDU) gestern im Abgeordnetenhaus Konsequenzen aus der Vernichtung von Akten beim Verfassungsschutz an, die einen möglichen Bezug zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) gehabt haben könnten. Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid wird demnach genauso dienstversetzt wie der Referatsleiter für den Bereich Extremismus. Henkel dankte Schmid im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses dafür, »in den vergangenen zwölf Jahren einen hervorragenden Job« bei der Reformierung des Nachrichtendienstes gemacht zu haben. Die Leitung der Behörde übernimmt zunächst kommissarisch Schmids Stellvertreter, Gerhard Fricke.

In Bezug auf die Reißwolf-Affäre räumte Henkel gestern erneut Fehler ein. »Das ist ein schwerer Schlag für die Berliner Sicherheitsbehörden.« In Hinblick auf die in der vergangenen Woche bekannt gewordene Aktenvernichtungen beim Verfassungsschutz, erklärte Henkel: »Ich schließe gar nichts mehr aus.« Das schlimmste sei, betonte Henkel, dass man nicht ausschließen könne, dass in den Akten Hinweise auf den NSU enthalten waren. Beim Verfassungsschutz waren sowohl Ordner zum Neonazi-Netzwerk »Blood & Honour« als auch zur rechtsextremen Band »Landser« rechtswidrig geschreddert worden. In beiden Vorgängen spielte der NSU-Unterstützer Thomas S. eine Rolle, der, wie im September bekannt geworden war, vom Jahr 2000 bis

ins Jahr 2011 als V-Mann beim Berliner Staatsschutz geführt wurde. Über die personellen Konsequenzen hinaus kündigte Henkel an, die Behörde neu aufstellen zu wollen. Ein Prozess, der jedoch längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Im Gespräch sind Rotationen bei Mitarbeitern, aber auch die Straffung von Abläufen, um die nach Behördenangaben irrtümliche Vernichtung von Akten künftig zu verunmöglichen. Zudem soll der Sonderermittler Henkels

zur NSU-Affäre, Dirk Feuerberg, seine Ermittlungen fortsetzen und den Abgeordneten regelmäßig Bericht erstatten.

War es das mit der Reißwolf-Affäre, kehrt jetzt erst mal Ruhe ein, nachdem Rücktritte erfolgten? Die LINKE forderte gestern erneut weitergehende Konsequenzen: Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die für die Partei als Obfrau im Bundestagsuntersuchungsausschuss sitzt, forderte gestern im Zusammenhang mit den Skandalen um verschwundene Akten zu den NSU-Ermittlungen die Auflösung aller Ämter für Verfassungsschutz. Geheimdienste seien nicht kontrollierbar, »nicht parlamentarisch, nicht mal durch ihre Chefs«. Den Rücktritt Schmids kritisierte Pau in einer Erklärung als falschen Schritt. Wer die Spitzen von Verfassungsbehörden austausche, um die Ämter zu retten, klammere die wahren Probleme aus, so die Rechtsextremismusexpertin. Auch der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, kritisierte, dass Verfassungschefin Schmid mit ihrem Rücktritt offensichtlich nicht nur für eigene, sondern auch für die Fehler des Innensenators habe büßen müssen. »Dass Henkel die Verantwortung gerne auf andere abwälzt, haben wir schon beim LKA-Skandal erlebt, als die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers für ihn den Kopf hinhalten musste«, sagte Wolf, der an die politische und die Leitungs-Verantwortung des Innensenators erinnerte.

Schmids Weggang werde das Problem nicht beheben, monierte auch der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux. Es stelle sich die Frage, wer jetzt die Vorfälle aufkläre. Der Landesvorsitzende der Grünen, Daniel Wesener, wertete den Rücktritt Schmids ebenfalls als »klassisches Bauernopfer«.

Inwiefern die Rücktritte Henkel Luft verschaffen, werden die nächsten Wochen zeigen. Sollten weitere Akten mit möglichem NSU-Bezug, etwa bei der Polizei, vernichtete worden sein, dürfte es für Henkel eng werden - kräftig angeschlagen ist er schon.

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