Eine Zivilklausel für Berlin
Militärische Forschung soll an der Freien Universität verhindert werden
Bundeswehr und Rüstung haben an einer Hochschule nichts verloren - meint der neugegründete Arbeitskreis Zivilklausel (AkZk) an der Freien Universität Berlin (FU). Seit diesem Semester setzen sich etwa zehn Studenten für eine Selbstverpflichtung ein. Sie soll Forschung und Lehre mit militärischem Nutzen verhindern, vorerst nur am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften. Im Gegensatz zu anderen Hochschulen gibt es diese Regelung an der FU bisher nicht.
In der Studierendenschaft wurde am Mittwoch erstmals der Entwurf des AkZk diskutiert. »Zufrieden und froh« zeigten sich dessen Mitglieder im Anschluss an die Veranstaltung mit etwa 140 Teilnehmern. »Die Diskussion war engagiert und kontrovers«, sagt Florian Frey vom AkZk. Man müsse nun sehen, wie es weitergehe. Um eine Zivilklausel am Fachbereich einzurichten, muss der Fachbereichsrat dafür stimmen. Vorher will der AkZk noch möglichst viele Unterstützer unter Studenten, Professoren und im Mittelbau gewinnen.
Der konkrete Inhalt der Zivilklausel steht zurzeit noch zur Debatte. So will der AkZk auf jede Beteiligung von Bundeswehr, Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie verzichten, egal ob es um Drittmittel, Stiftungsprofessuren oder Kooperationen geht. Zudem fordert er die Offenlegung aller Forschungsprojekte und Geldgeber. Unter anderem Professor Sven Chojnacki, Leiter des Arbeitsbereichs Friedens- und Konfliktforschung, will eine Kooperation mit militärischen Akteuren aber nicht ausschließen. Dies käme einem »Denkverbot« gleich.
Befürworter einer strengen Zivilklausel weisen dagegen auf die große Grauzone zwischen militärischer und ziviler Forschung in den Sozialwissenschaften hin. »Unser Fachbereich wird immer heikler«, betont auch Frey. Während der Bereich internationale Beziehungen und Sicherheit immer wichtiger werde, griffen gleichzeitig Rüstungsindustrie und Bundeswehr immer stärker auf »Soft skills« statt auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurück. Das zeigt unter anderem das Beispiel des umstrittenen Sonderforschungsbereiches 700. Dieser war durch eine Studie in Verruf geraten, die dem Auftraggeber Bundeswehr eine sehr hohe Akzeptanz bei der afghanischen Bevölkerung bescheinigte. »Das hat das Verteidigungsministerium genutzt, um nachträglich ihren Einsatz zu legitimieren«, erläutert Frey. Bei der Befragung der Studienteilnehmer waren allerdings deutsche Soldaten anwesend gewesen.
Auch in Sachen Transparenz sieht es an der FU bisher nicht gut aus: Bis heute weigert sich das Präsidium, den Verbleib von 78 000 Euro zu erklären, die 2011 vom Verteidigungsministerium gezahlt wurden. Trotz Recht auf Einsicht blieben dem akademischen Senat bisher die entsprechenden Akten verwehrt. Matthias Barthelt, studentischer Vertreter in dem Gremium, spricht von gezielter Verzögerungstaktik: »Da kommt nichts raus, bevor man nicht klagt.« Nun prüfe das Berliner Verwaltungsgericht den Fall.
Dass auch eine Zivilklausel ein solches Verhalten nicht verbieten kann, weiß der AkZk. »Zumindest hätten wir dann aber eine starke Verhandlungsposition«, sagt Frey.
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