Polizeigewalt: Keine Hilfe für Opfer
Gewalt durch Institutionen: Geht es um die eigenen Strukturen, sieht der Staat lieber weg
Bei deutschen NGO gehen immer wieder Berichte über Polizeigewalt ein. Es gebe sogar eine »außerordentlich große Zahl« solcher Fälle. Trotzdem gibt es keine bundesweite Statistik zu polizeilichen Übergriffen. Die Zahl der Anzeigen steht in diskrepantem Verhältnis zu den eröffneten Verfahren und den späteren Verurteilungen. Maßnahmen, um die Opfer von Polizeigewalt zu schützen, fehlen ebenso wie eine unabhängige Beschwerdestelle. Die meisten Länder verzichten zudem auf eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, durch die eine nachträgliche Identifikation des Täters möglich wäre. Laut einer Studie der Berliner Polizei werden 10 Prozent der Fälle aus diesem Grund nicht aufgeklärt. All das macht es fast unmöglich, sich gegen die staatliche Übermacht zu wehren.
Die Bundesrepublik hat 2008 das freiwillige Zusatzprotokoll der UN-Folterkonvention verabschiedet. Zwar wurde daraufhin die Antifolterstelle ins Leben gerufen, die jedoch völlig unzureichend mit personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet. Mit 300 000 Euro jährlich sollen die wenigen Mitarbeiter alle Einrichtungen überwachen, in denen Freiheitsentzug stattfindet - also nicht nur Haftanstalten, sondern auch psychiatrische Einrichtungen und Altenheime. Hansjörg Geiger, bis dahin Leiter der Antifolterstelle, hatte im August gekündigt: Sein Auftrag sei unter den Umständen nicht auszuführen. Nach Ansicht von UN-Sonderbeauftragten für Folter verschlimmert eine so offensichtlich ungenügende Umsetzung des Anti-Folter-Abkommens sogar die Lage. Sie nehme das Problem nicht ernst und gebe ein schlechtes Beispiel für andere Staaten.
Anders als in anderen Feldern lässt sich die Bundesregierung von NGO in Fragen institutioneller Diskriminierung nicht beraten. Von Hilfsorganisationen seit Jahren empfohlene Schulungen für Beamte zu Menschenrechten lehnen die Behörden ab. Es gibt keinerlei Bestrebungen, diskriminierende Strukturen in den staatlichen Prozessen aufzudecken und sie zu beseitigen. So werden Verbrechen mit rassistischem Hintergrund oftmals nicht als solche verfolgt und ungenügend in der Polizeistatistik erfasst. Stattdessen werden die eigentlichen Opfer häufig stigmatisiert und kriminalisiert. Die Ermittlungen zur NSU-Mordserie sind dabei nur das prominenteste Beispiel. Im Mai erklärte das Verwaltungsgericht Koblenz das »Ethnic Profiling«, die Rasterfahnung auf Grund von Hautfarbe, in einem aktuellen Fall für zulässig und rechtfertigte sie damit als Polizeipraxis.
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