Startschuss in die Selbstständigkeit
Mikrokredite ermöglichen in Perus zweitgrößter Stadt Arequipa die Gründung neuer Existenzen
»Mi Banco« steht auf der riesigen Werbewand, auf der eine indigene Frau zu sehen ist. Mit breitem Lächeln hält sie ein Bündel Geldscheine in der Hand. So sieht die Werbung des größten Mikrokreditfinanzierers von Peru aus - und das Modell funktioniert prächtig. Das zeigen auch die Erfahrungen der Nummer zwei am Markt, der Stadtsparkasse von Arequipa, die von Jahr zu Jahr das Volumen des Kleinkreditgeschäfts erhöht. Nachfrage ist da, denn die zweitgrößte Stadt Perus wächst schneller als der Landesdurchschnitt.
»Es gibt enormen Nachholbedarf«, sagt Erzbischof Javier del Rio Alba. »Jahrelang wurde Arequipa von der Politik aufgrund der regionalen Wahlergebnisse etwas außen vor gelassen, nun wächst die Stadt extrem schnell.« Auch die Kirche vergibt über die Caritas Kleinkredite. Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot.
Das ist auch bei der regionalen Sparkasse nicht anders. Die hat in der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt das Kreditvolumen in den letzten Jahren merklich angehoben, um die Nachfrage bedienen zu können. Davon hat auch Hugo Poma Torres profitiert. Er gehört gemeinsam mit seinem Bruder Mauro schon zu den großen Kreditnehmern. Wie viele andere hat aber auch er klein angefangen. »Von Hand haben wir Schuhe gefertigt, dann die Produktion langsam mechanisiert«, erklärt der stämmige 43-Jährige.
Das war zu Beginn der 1990er Jahre. Heute leiten die beiden fünf Produktionsstätten, die aus allen Nähten platzen. Folgerichtig haben sie mit der Sparkasse den Bau einer Fabrik mit insgesamt 150 Arbeitsplätzen geplant. »Alles andere als ein Kleinkredit«, schmunzelt Hugo Poma Torres. Doch der erste Kredit habe mit 1500 Soles - gerade einmal 500 US-Dollar - an der unteren Marge des typischen Erstkredits gelegen, sagt Patricia Torres Soto. Der liege meist zwischen 2000 und 3000 Dollar und werde in der Regel ohne Sicherheiten vergeben, führt die Chefin der Kreditabteilung bei der Sparkasse von Arequipa weiter aus.
Bis zu 10 000 Dollar vergibt die Sparkasse derzeit ohne Garantien - entsprechend hoch sind die Zinssätze. Die liegen zwischen 25 und 38 Prozent. »Die Mikrokreditvergabe ist arbeitsintensiv. Bis ein Vertrag unterschrieben ist, sind unsere Mitarbeiter manchmal dreimal vor Ort«, erklärt Frau Torres Soto die hohen Kosten. Gleichwohl sind Kreditnehmer wie die Brüder Poma Torres oder Julia Silva Andía, die eine kleine Möbelfabrik leitet, froh, dass die Bank ihnen unter die Arme griff.
Silva hat gerade einen neuen Kredit über 35 000 Dollar aufgenommen, um ihre Fabrik auszubauen. »Sie platzt aus allen Nähten, denn wir liefern bis ins dreihundert Kilometer entfernte Puno«, erklärt die agile Unternehmerin. Gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden fast volljährigen Kindern betreibt sie die Fertigung. Bisher hat sie alle Kredite überpünktlich zurückgezahlt und die Bank sorgt bei Bedarf auch für die Zwischenfinanzierung größerer Materialmengen.
Anders als in Indien, wo Geschäftsbanken das Mikrokreditgeschäft mit exorbitanten Zinsen in die Sackgasse und viele Familien in den Ruin geführt haben, haben die Kleinkredite in Peru nicht nur der Wirtschaft um Arequipa Dynamik verliehen. Das ist auch ein Grund, weshalb die Sparkasse das Kreditgeschäft dank internationaler Hilfen weiter ausgebaut hat.
So kamen von der zweitgrößten Förderbank der Welt, der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) rund zwanzig Millionen Euro für den Ausbau des Geschäftszweigs. Das sind Kredite mit Zusatzeffekt: Sie sorgten für Vertrauen in die Sparkasse, so dass Bankvorstand José Díaz Alemán auf dem nationalen Kapitalmarkt Mittel zu günstigen Konditionen aufnehmen konnte. Damit wurde ein Hebeleffekt geschaffen, der Kreditnehmern wie Mauro und Hugo Poma Torres weiter zugute kommen soll. Auch wenn die Schuhfabrikanten wohl bald zu einem größeren Institut wechseln werden: Für die Sparkasse sind sie inzwischen fast zu schnell gewachsen.
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