Vom Knacken harter Nüsse

Im sächsischen Dürrweitzschen wird die bundesweit größte Haselstrauch-Plantage betrieben

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Nirgendwo in Deutschland reifen annähernd so viele Haselnüsse auf einer Plantage wie im mittelsächsischen Dürrweitzschen. Doch der Betrieb hatte einige Probleme zu meistern.

Die erste Ernte hatte Thomas Helbig verschenkt. »Es waren auch nur 30 Kilo«, sagt der Geschäftsführer der Sonnenfrucht Obstanbau GmbH. Einige Säckchen auf dem Rücken, stapfte er damit im Advent 2009 in Kindergärten in und um Dürrweitzschen. Viele der Knirpse hatten wohl noch nie frischere Nüsse genascht. Ihr müsst die Nüsse, bevor ihr sie kauft, kräftig schütteln, riet ihnen Helbig: Wenn sie in der Schale klappern, sind sie schon alt und eingetrocknet. Drei Jahre später kaufen freilich viele Familien in der Region, durch die sich eines der modernsten Obstanbaugebiete Europas zieht, ihre Haselnüsse nur noch im Hofladen in Dürrweitzschen.

Der Frost verdarb die Ernte

Helbig sitzt in seinem Büro, greift sich von einem Teller eine Nuss und knackt sie. Es soll wohl symbolisieren: Auch er durfte zunächst manche Nuss knacken, seit sie im Herbst 2005 mit den Pflanzungen begannen. 2008 stand dann die komplette Haselnussplantage. Doch die erste Ernte fiel halt mager aus.

Insgeheim hatte Helbig mit vier, fünf Tonnen gerechnet. Schließlich ist er Profi - fast 40 Jahre im Obstbau tätig, erst in der LPG, dann Betriebsteilleiter, nun Geschäftsführer des 363 Hektar großen Plantagenverbundes unter dem Dach der Obstland Dürrweitzschen AG. Bei Äpfeln, ihrer Hauptfrucht, die auf 200 Hektar wachsen, holten seine Trupps zuletzt wieder über 8000 Tonnen vom Stamm. »Der eisige Januar 2009 hatte uns die Sache verdorben«, blickt der 57-jährige zurück. Doch auch 2010 vermarktete er gerade mal eine Tonne Nüsse.

Die Wünschelrutenkräfte, die der Volksmund den gegabelten Haselzweigen zuschreibt, versagten bei ihnen offenbar. Oder brauchte es mehr Erfahrung? Nur - wo hätten sie sich hierzulande etwas abschauen können? Seit je liefern vor allem türkische Farmen den Deutschen die Zutaten für Nusscreme und Nussschokolade. »Dort aber bestimmt bis heute Handarbeit den Takt«, weiß der Gartenbauingenieur. Drum sei ja der Weltmarktpreis so hoch. Setze man allerdings auf eine sinnvolle Mechanisierung, könne das die heimische Nussproduktion wohl konkurrenzfähig machen, überlegte man damals in Dürrweitzschen. Man fahndete gerade nach einem weiteren Produktionszweig für das 40-köpfige Sonnenfrucht-Team - neben Apfel und Sauerkirsche, Erdbeere, Birne und Pflaume. Also stürzte sich Helbig in das Wagnis. Immerhin eigneten sich von den weltweit 400 Haselnusssorten »rund 20 für den kommerziellen Anbau in unseren Breiten«.

Die 19-Millimeter-Grenze

Mut machte auch die Nachfrage aus Schokoladenindustrie und Großbäckereien. »Sie hatte enorm zugelegt und wächst noch immer«, erzählt Helbig. Zwar reifen Haselnüsse mittlerweile auch in Deutschland auf insgesamt 380 Hektar. Doch diese Fläche verteilt sich auf bayrische und schwäbische Familienbetriebe, von denen jeder nur wenige Hektar im Anbau hat. In Dürrweitzschen beabsichtigte man jedoch, die magischen Kräfte des Baums der Weisheit und der Wahrheit - so nannten schon die Kelten den Haselstrauch - in ganz anderen Dimensionen herauszufordern: auf 43,5 Hektar, einer Fläche so groß wie hundert Fußballfelder. Von den 17 verschiedenen Sorten, die angebaut wurden, schlugen vor allem solche Wurzeln im sächsischen Obstland, die recht kleine Kerne ausbilden. »Also nicht größer als 19 Millimeter, wie sie halt die Industrie benötigt«, erläutert Helbig. Denn 80 Prozent der Ernte nehmen Großverarbeiter ab. Größere Nüsse, die bis 28 Millimeter messen können, gingen dagegen an den Handel oder dienten als Befruchtersorten auf der Plantage.

Mittlerweile wuchs auch die Erntemenge deutlich. 2011 waren es bereits 20 Tonnen. Für 2013 erhofft sich der Chef sogar 40 bis 50 Tonnen Haselnüsse - sofern das Wetter mitspiele. Letztlich sei der Haselstrauch eben ein Spätzünder, sinniert er. Er brauche seine sieben Jahre, ehe er ergiebig trage - dann aber bis fünf Tonnen pro Hektar. Nur bedürfe es davor halt eines langen Atems.

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