Gewalttätige Abart des Basketballs

Seit 75 Jahren finden Handball-WM fast nur in Europa statt, andernorts hat es der Sport schwer

  • Erik Eggers, Barcelona
  • Lesedauer: 3 Min.
Handball wurde auf hohem Niveau schon immer vor allem in Europa gespielt, wie die WM-Geschichte zeigt. Doch längst investieren Scheichs. Und auch Deutschlands südamerikanische WM-Gegner sind stärker denn je.

Von dem Hype, den die deutschen Handballer vor sechs Jahren mit ihrem heimischen WM-Sieg auslösten, profitierte auch die Internationale Handball-Föderation (IHF) enorm. Denn kurz darauf verdoppelte der Weltverband seine Erlöse beim Verkauf der TV-Rechte (für den Zeitraum 2010 bis 2013) auf 65 Millionen Franken. »Wenn es dem deutschen Handball gut geht, geht es dem Welthandball auch gut«, hat IHF-Präsident Hassan Moustafa einmal die Abhängigkeit vom deutschen Markt beschrieben.

Im Vergleich zum Fußball, den Moustafa als Vorbild betrachtet, geht es beim Handball, dessen 23. Weltmeisterschaft am Freitag in Spanien begann, freilich um kleine Summen. Das liegt an seiner mangelnden Verbreitung auf wichtigen Märkten wie Großbritannien, China, Japan oder den USA. Hier kam die erst in den 1920er und 30er Jahren in Deutschland sowie Skandinavien entwickelte Sportart zu spät.

Die erste Handball-WM bestand vor 75 Jahren, am 5. und 6. Februar 1938, aus zwei Abendveranstaltungen in der Berliner Deutschlandhalle. Die Bezeichnung »WM« war dabei hoch gegriffen: Neben Deutschland traten nur Österreich, Dänemark und Schweden an. Ein Spiel dauerte zwei mal zehn Minuten. Handball in der Halle war damals exotisch - Feldhandball war angesagt in Deutschland. 9000 Fans staunten bass über die Kunststücke der dänischen Hallenspezialisten, den »Springwurf« (Sprungwurf) und »Aufsetzer-Pass«. Den ersten Titel holten sich dennoch die wurfstarken Deutschen mit drei Siegen.

Nach dem Krieg bescherte technischer Vorsprung den Schweden eine lange Dominanz in der Halle. Sie siegten bei den nächsten Titelkämpfen 1954 in Schweden (gegen die BRD) und 1958 in der DDR. Die BRD verlor bis zum WM-Sieg 1978 in Dänemark den Anschluss, weil sie zu lange den Feldhandball pflegte. Überlegen waren lange Rumänien, die CSSR, Jugoslawien, die DDR und schließlich die UdSSR, denn die Teams aus dem Ostblock hatten ihr Training frühzeitig für die Halle ausgelegt. In den 1990ern dominierten Schweden und Russland. Das vergangene Jahrzehnt war eine französische Ära.

Das größte Manko des Handballs ist, dass er bis heute eine europäische Angelegenheit ist. Das belegen schon die WM-Standorte: Allein 1997 (Japan), 1999 (Ägypten) und 2005 (Tunesien) wurde der Weltmeister nicht in Europa ausgespielt. Zwei vierte Plätze für Ägypten (2001) und Tunesien (2005) waren die besten Platzierungen außereuropäischer Teams. In Asien ist Südkorea der einzige Verband mit hohem Niveau.

Bereits in den 1960ern gab es Versuche der IHF, das Spiel auch in Nordamerika zu popularisieren, dem wichtigsten Sportmarkt. Dort galt Handball als »besonders gewalttätige Kombination von Basketball, Fußball und Hockey« (so die Zeitschrift »Time«). Der Weltverband erteilte für die WM 1964 in der Tschechoslowakei deshalb den deutschen Spielern Hans-Jürgen Hinrichs und Fritz Hattig Ausnahmegenehmigungen, um mit dem US-Team auflaufen zu können. Doch es half nichts. Dafür sind Argentinien und Brasilien, zwei Gegner Deutschlands in der jetzigen Vorrunde, mittlerweile zarte Handballpflänzchen.

Die größten kommerziellen Hoffnungen des Handballweltverbandes richten sich aber auf den Nahen Osten. Hier locken die Scheichs mit hohen Summen. So bezahlt Katars Handballverband die Austragung der Klub-WM mit einer Million Dollar pro Jahr. Die Länder-WM 2015 findet ebenfalls in Katar statt.

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