Die Ehre des Steigbügelhalters

Hindenburg-Straßen und -Ehrenbürgerschaften - in Kiel und andernorts soll sich das endlich ändern

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg einen Mann zum Kanzler, den er kurz zuvor »nicht einmal zum Postminister« hatte machen wollen: Adolf Hitler. Noch heute gibt es zahlreiche Kommunen mit Hindenburg-Straßen und Hindenburg-Ehrenbürgerschaften. Doch die Kritiker lassen nicht locken - zum Beispiel in Kiel, Hamburg, Potsdam, Detmold oder Darmstadt.

In einer ganzen Reihe von deutschen Städten und Kommunen läuft derzeit eine aufgeregte Diskussion um einen geschichtsträchtigen Namen. Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg ist mit seinem Namen nicht nur auf vielen Straßenschildern allgegenwärtig, etliche Orte haben dem ehemals führenden Reichspolitiker einst auch die Ehrebürgerwürde verliehen. Doch solche Ehrerbietungen, an denen sich auch die Bundeswehr mit Kasernenbenennungen beteiligte (bis heute in Munster und Ulm), genießen nicht automatisch Bestandsschutz bis in aller Ewigkeit. Entsprechend geht es derzeit in zahlreichen aktuellen Fällen um eine Straßenumbenennung sowie um die posthume Aberkennung beziehungsweise Streichung der Ehrenbürgerschaft.

In 3824 Städten wurde Hindenburg einst mit der Ehrenbürgerschaft bedacht. In Bad Säckingen ist immer noch eine Grundschule nach ihm benannt. Zuletzt hat sich 2009 ein Gymnasium in Trier von dem umstrittenen Namen getrennt. Es ist meist gar nicht die Kritik an dem enthusiastischen Militaristen Hindenburg an sich, die in der politischen Bewertung und Rückschau angeprangert wird, sondern dessen Rolle als Steigbügelhalter bei der Machtübernahme Adolf Hitlers. Denn Reichpräsident Paul von Hindenburg hatte am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannt.

Radikale Hamburger FDP

In Kiel ist es die Linksfraktion, die das Thema Hindenburg auf die Tagesordnung gesetzt hat. Im Juli 1933 hatte die damalige nationalsozialistische Stadtverordnetenversammlung Hindenburg zum Ehrenbürger deklariert. Die LINKE wollte in dieser Sache eine sofortige Abkehr durchsetzen und gleich auch die viel befahrene Straße an der Kieler Förde, das Hindenburgufer, umbenennen. Doch die Mehrheit der Ratsversammlung sprach sich zunächst für eine wissenschaftliche und stadtgeschichtliche Expertise zur Rolle Hindenburgs aus, wobei SPD und Grüne bereits andeuteten, dass sich mit dem Vorstoß der LINKEN sympathisieren.

In Hamburg gab es 1988 einen ersten Versuch, die drei Kilometer lange Hindenburgstraße durch den Stadtpark umzubenennen. Der damals regierende SPD-Senat lehnte das Ansinnen ab. Eine aktuelle Initiative der Grünen zur Straßenumbenennung sowie zur Aberkennung des 1917 verliehenen Ehrenbürgerstatus für Hindenburg verspricht nun mehr Erfolg. Der entsprechende Antrag in der Bezirksversammlung Nord, der im nächsten Monat zur Abstimmung steht, wird mehrheitlich auch von SPD, LINKEN und FDP mitgetragen. Die FDP fordert in diesem Zusammenhang sogar noch weitere geschichtliche Aufräumarbeiten wie etwa die Umbenennung der Schottmüllerstraße in Eppendorf, benannt nach dem Arzt und NSDAP-Mitglied Hugo Schottmüller. Bekommt Hindenburg vom Bezirk Nord die rote Karte, muss die Kulturbehörde sich des Themas annehmen.

Auch in Potsdam schlagen die Wellen hoch. Bereits 2003 verlangte die linksalternative Fraktion Die Andere die Tilgung der Ehrenbürgerwürde Hindenburgs, scheiterte allerdings. Jetzt muss erneut darüber abgestimmt werden, und die Chancen stehen besser. In Essen wollen Grüne und LINKE die Hindenburgstraße in Gustav-Heinemann-Straße umtaufen. Doch CDU und SPD verhinderten zuletzt im Jahr 2009 im Schulterschluss eine Umbenennung.

In Detmold erhitzt das Thema ebenfalls die Gemüter. Auch hier geht es um die Ehrenbürgerwürde und eine nach Hindenburg benannte Straße. Im Verlauf dieses Jahres soll darüber entschieden werden. Der Antifaschistische Arbeitskreis will am kommenden Donnerstag in der Detmolder Stadthalle dazu aufklären und diskutieren.

In Bonn wollen die verantwortlichen Stadtoberen sich des Themas Hindenburg-Ehrenbürgerschaft mit der Begründung entziehen, dass diese sich mit dem Tod des Reichspolitikers erledigt habe. Wegen dieser Nichtbefassung wurde inzwischen bei der Bezirksregierung Köln eine Kommunalaufsichtsbeschwerde eingereicht.

Protest am 30. Januar

Seit 2002 wird über das Thema auch in Darmstadt gestritten - lange Zeit zunächst ergebnislos, bis es 2007 zu einer Befragung aller 186 Anwohner der Hindenburgstraße kam. Von 154 abgegebenen Stimmen waren 151 gegen eine Umbenennung - das Bündnis Südhessen gegen Rechts will sich damit jedoch nicht abfinden. Der antifaschistische Zusammenschluss will am 30. Januar, dem Jahrestag der NS-Machtergreifung, symbolisch die Hindenburgstraße in Halit-Yozgat-Straße umbenennen. Yozgat wurde 2006 in Kassel Opfer der neonazistischen NSU-Terrorzelle.

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