Was noch zu beweisen ist
Nach Lance Armstrongs Dopingbeichte müssen andere Sportarten in den Fokus der Dopingermittler rücken
Für die Straßenprofis der Generation 2013 kam die Armstrong-Beichte wirklich zur Unzeit: Während das halbherzige Geständnis des Texaners noch immer durch die Radsportwelt hallt und echot, beginnen die Besten des Fachs heute ihre Saison. Ob irgendeine Leistung bei der ersten ernstzunehmenden Rundfahrt des Jahres noch ernstgenommen werden wird? Die »Tour down under« beginnt in Australien und auch der Rostocker Sprinter André Greipel, der schon zweimal die Gesamtwertung gewinnen konnte, muss sich dort hauptsächlich zum Fall Armstrong äußern. Greipel ist ein wenig ratlos: »Wer bitte soll uns nach diesem Interview nun noch glauben? Es macht mich traurig, dass wir nun mit dieser Generation verglichen werden!«
Tatsächlich wird es für einen Radsportler in nächster Zukunft ein Ding der Unmöglichkeit bleiben, seine Unschuld zu beweisen, selbst wenn die Radprofis anhand der vom Weltverband UCI geforderten Blutpässe viel besser kontrollierbar sind als die meisten Athleten aus anderen Sportarten. Ein Trost könnte sein, dass der größte anzunehmende Unfall bereits eingetreten ist: der Fall des Superstars. Nur noch eine Involvierung der UCI könnte den Fall Armstrong noch übertreffen.
Doch auch in anderen Sportarten wird aufgehorcht - Beispiel Tennis. Dort sind dieser Tage kritische Stimmen aus Melbourne zu vernehmen. US-Open-Sieger Andy Murray aus Schottland hat am Rande der Australian Open nach dem Armstrong-Geständnis bessere Kontrollen im Tennis verlangt: Er will einen biologischen Pass und mehr unangemeldete Bluttests. Der Weltranglistenerste Novak Djokovic aus Serbien verriet derweil, in den vergangenen »sechs oder sieben« Monaten nicht kontrolliert worden zu sein.
Im Dezember 2011, was die typische Vorbereitungszeit für Tennisprofis ist, soll es insgesamt nur 21 Tests gegeben haben - quasi nichts in einer Einzelsportart, in der bei Millionen-Dollar-dotierten Turnieren mehrere stundenlange Matches gespielt werden müssen. In einer Sportart, die 1998 mit Petr Korda (Tschechien) schon einen spektakulären Dopingfall erlebt hat - trotz der wenigen Kontrollen.
Doping ist kein Radsport-, sondern ein Spitzensportphänomen, das sich am extremsten in Sportarten zeigt, in denen viel Geld umgesetzt wird. Modernes Doping ist ziemlich kostspielig - zum einen wegen der verwendeten Substanzen und Methoden, zum anderen wegen der notwendigen ärztlichen Betreuung. In Spanien beginnt am kommenden Montag der Prozess gegen den Dopingarzt Eufemiano Fuentes. Mehr als 200 Sportler soll Fuentes betreut haben, bekannt geworden sind nur die Namen der Radsportler unter ihnen. Auch Leichtathleten und Fußballer werden immer wieder mit Fuentes in Verbindung gebracht.
Auch im Fußball, der sich gemeinhin gerne als dopingfrei geriert, ist die Liste der Ertappten und der Verdächtigen lang - angefangen bei den deutschen Weltmeistern von 1954, bei denen womöglich das weltkriegserprobte Aufputschmittel Pervitin zum Einsatz kam, wie der Sporthistoriker Erik Eggers zu bedenken gab.
Der einstige argentinische Nationalspieler Matias Almeyda berichtete jüngst in der »Gazzetta dello Sport«, in seiner Zeit beim AC Parma (2000 bis 2002 ) habe es vor den Spielen Infusionen gegeben, nach denen man »bis zur Decke springen« konnte. In Italien fiel 2001 auch der kommende Bayern-Trainer Pep Guardiola als Spieler auf: Zweimal wurde ihm Nandrolon nachgewiesen. Erst nach mehreren Prozessen wurde er freigesprochen - wegen Unregelmäßigkeiten bei der Laboranalyse.
Als Kronzeuge für Fußballdoping bot sich nun indirekt der Tour-de-France-Sieger von 2006 an, der Spanier Oscar Pereiro Sio, der nach seinem Rücktritt ein paar Spiele für einen spanischen Fußballdrittligisten bestritt. Er kenne Spieler, die Infusionen oder Wachstumshormone genommen hätten, sagte Pereiro jüngst dem Radiosender COPE. »Und diese Spieler werden heute angehimmelt.« Mit Doping verhalte es sich so: »Bei einem Radsportler heißt es, er ist gedopt bis in die Augäpfel, bei den anderen heißt es, der Mann tut alles für seinen Klub.«
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