Frankfurt will den Schutz der Masse aushebeln
Beim Heimspiel der Eintracht am Sonnabend gegen Hoffenheim sollen alle vernünftigen Fußballfans die Unruhestifter ausliefern
Es hätte eigentlich ein schöner Tag sein sollen. Anthony Yeboah war mit seiner Tochter aus Ghana gekommen, Bum Kun Cha mit seiner Ehefrau aus Südkorea eingeflogen. Lizenzspielerleiter Rainer Falkenhain, das Mädchen für alles bei der Frankfurter Eintracht, hatte die alten Helden persönlich am Flughafen empfangen und sofort in die Panoramabar des Schauspielhauses gebracht. Denn am Mittwoch wurden tief im Keller der U-Bahn-Station Willy-Brandt-Platz, direkt an der Europäischen Zentralbank, zwölf Pfeiler enthüllt, die die »Säulen der Eintracht« zeigten.
Überdimensionale Konterfeis, die neben Yeboah und Cha auch Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein, Bruno Pezzey und Jay Jay Okocha, Alexander Schur oder Uwe Bindewald abbilden. Kickende Koryphäen, die den Mythos dieses Klubs begründeten. Doch selbst die leibhaftige Anwesenheit einiger dieser Protagonisten vermochte Heribert Bruchhagen nur ein kurzes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. »Das ist die Eintracht«, so der schmallippige Vorstandschef, »darüber sollte der ein oder andere nachdenken, der unser Bild nach außen zeigt.«
Keine Frage, wen der 64-Jährige damit gemeint hatte. Jene notorischen Unruhestifter, die sich zumeist im Umfeld der Ultras bewegen und in Leverkusen eine neue Dimension der Eskalation zündeten. Weil sie das mühsame sportliche und wirtschaftliche Vorankommen eines Klubs gefährden, der nach der Hinrunde als die positive Überraschung der Liga galt, nach dem Rückrundenstart aber wieder mit den alten Stereotypen (»Randale-Meister«) gebrandmarkt wird.
Bruchhagen hat deswegen einen verzweifelten Hilfeschrei abgesetzt. »Wir haben alles getan. Wir brauchen die Unterstützung aller, auch der vernünftigen Fans.« Sein Finanzvorstand Axel Hellmann, der als Netzwerker und Jurist in der DFL-Kommission »Stadionerlebnis« mitarbeitete und dabei die Frankfurter Anhängerschaft mitzunehmen wusste, versucht in Tag- und Nachtarbeit, eine sogenannte »Absetzbewegung« zum Heimspiel gegen Hoffenheim zu erreichen. Will heißen: Die friedlichen Fans sollen die Störenfriede ausgrenzen. Hellmann will den Schutz der Masse aushebeln. An eine Auslieferung glaubt Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte, allerdings nicht. »Die Ultras fahren seit 15 Jahren gemeinsam zu den Spielen, das schafft eine enge Verbindung.«
Aber was muss noch geschehen? Vier Pyro-Täter vom vergangenen Sonnabend sind ermittelt. Nun sollen die Namen auch dem DFB übermittelt werden, wenn die Vereinsführung sich am Dienstag gegenüber dem Sportgericht äußert. Die Bestrafung mit einem Geisterspiel scheint dennoch kaum abzuwenden, weil Verfehlungen Frankfurter Fans aus den Spielen in Nürnberg (21. September) und Düsseldorf (30. November) in die Bestrafung einfließen. Das Sportgericht ist für Hellmann indes »der falsche Ort« zur Problemlösung: Der 41-Jährige setzt auf ein Signal aus dem verschneiten Stadtwald.
Es soll mehrere Plakate und Transparente geben, bei denen in der Nordwestkurve, den Stehplätzen der Eintracht-Fans, eine Distanzierung zu einer offensichtlich beratungsresistenten Gruppe erfolgt. Die größte Ultragruppierung hatte bereits auf ihrer Homepage eine in dieser Form bislang einmalige Ablehnung zum Gebrauch von Pyrotechnik formuliert. Der DFB beobachtet nun sehr genau, was am Samstag wirklich passiert.
Trainer Armin Veh ist von dem Thema zusehends genervt und hatte gezürnt: »Fragt diese Typen mal, wer bei uns spielt. Das wissen die gar nicht. Die kommen ja nicht mal ins Kino, wenn die Filme ab 18 sind.« Wohl auch deshalb sind am Donnerstag einige schwarz gekleidete Ultras zum Trainingsplatz gekommen, um mit dem Cheftrainer persönlich zu sprechen. Dabei haben sie vielleicht auch mitgeteilt, dass sie sogar noch Yeboah und Cha kennen.
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