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Hände malen Musik

Auf dem CTM Festival erfindet Imogen Heap musikalische Wesen und verändert das Wesen der Musik

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Ton wie ein Ruf kommt aus dem Mund der Künstlerin. Mit einer Hand fängt sie ihn auf, verlängert ihn zu einer Klangfläche. Die andere greift verborgene Glocken aus dem Raum, schiebt sie wie Blasen darüber. Dann trommelt sie mit unsichtbaren Stöcken einen Bass in die Luft. Mit einer umfassenden Bewegung vereint sie die Geräusche, bevor ihre Stimme eine erste, zarte Melodie darüber legt.

Wenn die britische Musikerin Imogen Heap ihr neuestes Projekt vorführt, wirkt es wie ein Tanz. Ein ganzes Orchester dirigiert sie, aber man sieht es nicht. Es kommt aus dem Laptop, der am Rand der Bühne steht. Um ihre Musik zu spielen, braucht sie keine Knöpfe und Schalter, sondern nur ihre Hände. Sie stecken in »musikalischen Handschuhen«, mit Bewegungssensoren ausgestattete Fingerlinge. Mit ihnen kann die Komponistin, Sängerin und Produzentin kontrollieren, welche Klänge erzeugt werden, wie sie sich bewegen und verändern. Fünf Paar hat Imogen Heap mit nach Berlin gebracht. Im »MusicMakers Hacklab« können Musiker, Techniker und Designer sie ausprobieren und weiterentwickeln - als Teil des »CTM Festivals für abenteuerliche Musik« innerhalb des Medienkunstfestivals Transmediale.

»Die Handschuhe wollen kein neues Instrument sein«, erklärt Imogen Heap. »Du selbst wirst das Instrument.« Sie malt Landschaften und setzt »Wesen« hinein, sagt sie. Saiten-, Trommel- und Vokalgeschöpfe, sichtbar gemacht durch Bewegung: »Ein Stück Musik, in das du hineinläufst.«

Damit gibt sie der elektronischen Musik zurück, was ihre Kritiker so sehr vermissen: die Haptik. Wo vorher DJs monoton an Reglern drehten, werden Klang und Körper wieder miteinander assoziiert. Die Performance wird wieder Dialog. Das ist keine technische Effekthascherei, im Gegenteil: »Man muss viel weniger Geräte und Gimmicks bedienen, alles wird unmittelbarer.« Wenn sie auftritt, denkt die Britin nicht mehr an den Computer. »Die Musik wird wie eine Muttersprache«, sagt sie.

Der Künstler verbindet Gesten mit Geräuschen und schafft so Bilder, die es vorher nicht gab. Er entscheidet, ob ein Klang mit Klopfen, Streichen oder Werfen dargestellt wird. »Man muss sich vorstellen, wie das Klangwesen aussehen soll«, beschreibt Imogen Heap das Komponieren per Handschuh. Je intuitiver die Gesten sind, desto einfacher sind sie - für den Zuhörer zu verstehen und für den Künstler zu lernen. Wie bei analogen Instrumenten entwickelt der Musiker ein Körpergedächtnis, wird freier. Das verändert auch die Kreativität und Schaffensweise.

Noch sind Imogen Heaps Auftritte normalerweise weniger futuristisch. Ihre Lieder sind oft ganz konventionell vom Piano begleitet; ihr bekanntestes, »Hide and Seek«, untermalte schon Filme und Fernsehspots. Seit 2009 arbeitet die Sängerin aus Essex mit ihrem Team an den Handschuhen. Dazu gehören eine Schneiderin, die auf die Verbindung von Textilien und Technik spezialisiert ist, ein Ingenieur, der Sensoren baut, und einer, der die rohen Bewegungsdaten in eine Musiksprache übersetzt. Außerdem ist noch Studiomanagerin Kelly Snook dabei, die vorher für die Nasa arbeitete. Eine Firma steht nicht dahinter, Imogen Heap ist nicht das bloße Aushängeschild für eine kommerzielle Produktion. Software und Hardware sind open source und können frei weiterentwickelt werden. Das soll auch so bleiben, sollte sich irgendwann ein Investor finden und die Handschuhe in Serie gehen.

Die Kollaboration mit anderen Künstlern, wie beim Berliner Hacklab, schätzt und braucht die große, schlanke Frau. »Das hilft mir, nicht in bekannte Muster zu verfallen und die Handschuhe wie jedes andere Instrument zu benutzen«, sagt sie. Deren Potenzial ist lang noch nicht ausgeschöpft. Zum Beispiel um zu erfinden, wie es klingt, wenn Imogen Heap »leuchtende Bälle aus den Spitzen der Finger« schießt.

Noch bis zum 3. Februar, Kunstquartier Bethanien u.a. Orte

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