Ende des Streiktabus
Marcus Meier über Streikaktionen in der Energiewirtschaft
In der Energiewirtschaft stehen die Zeichen auf mittelschwerem Sturm: Bei E.on beginnt am Montag ein unbefristeter Streik, tags darauf könnten sich die Gewerkschaften ver.di und IG BCE entscheiden, auch beim Konkurrenten RWE die Turbinen still stehen zu lassen - bis auf Weiteres.
Ein veritabler Streik bei Energieriesen: Früher wäre das undenkbar gewesen. Hatte nicht Jahrzehnte lang »Sozialpartnerschaft« geherrscht in der Branche? Gute Löhne, sichere Jobs: Mitunter gingen Gewerkschafter gar auf Atomkraftgegner los - viele Jahrzehnte ist das noch nicht her. Gewiss, was als »Partnerschaft« von Profiteinstreichern und Profitproduzenten angepriesen wurde, wurde von links zu recht als asymmetrischer Klassenkompromiss kritisiert - ein Kompromiss mit Schieflage zu Ungunsten der Beschäftigten. Gleichwohl wären Massenentlassungen, Lohndumping und die moderne Sklaverei namens Leiharbeit in jenen Jahren undenkbar gewesen. Der Kompromiss, er wurde längst von oben aufgekündigt. Mit Schmackes.
Nun wird er auch von unten zaghaft in Frage gestellt. E.on, hervorgegangen aus zwei Staatskonzernen, war Deutschlands Atomstromer Nr. 1 - und leidet nun besonders unter den (je nach Gusto) Folgen des Atomausstiegs oder den Konsequenzen einer über Jahrzehnte hin verfehlten Geschäftspolitik. Dafür wollen die Arbeiter nicht alleine bluten. Und das ist richtig so. Das Streiktabu existiert nicht mehr. Immerhin!
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