Mieterproteste in Berlin
Die Mietpreise steigen. Langjährige Mieter mit alten, günstigen Verträgen werden unter Druck gesetzt und vertrieben. Vermieter, neue Eigentümer und Immobilienspekulanten gehen dabei oft systematisch und skrupellos vor. Dann vermieten sie die Wohnungen neu – für mehr als das doppelte. In den Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln, die zum Aufwertungsgebiet gehören, entsteht Protest:
Seit Mai 2012 steht das Gecekondu (türkisch: über Nacht erbautes Haus) der Mietergemeinschaft »Kotti & Co« am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Die Initiative arbeitet kontinuierlich seit 2011 und erhält viel Zuspruch.
Am 11. Januar besuchten die Überflüssigen den Firmensitz der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH und veranstalteten dort ein buntes Spektakel. Ziegert übernehme für Immobilienfirmen oft die Entmietung der Häuser – wie beispielsweise in Kreuzberg, Mitte und Neukölln –, begründeten die Aktivist/innen in roten Kapuzenpullis und weißen Gesichtsmasken ihre Aktion.
Das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« und Stadtteilinitiativen unterstützen Menschen, die von Räumungen bedroht sind. Am 15. Januar tauchten zum Beispiel 30 Personen unangemeldet bei der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) auf und belagerten das Foyer. Mit ihrem Sit-In solidarisierten sie sich mit einem räumungsbedrohten türkischen Migrantenehepaar. Mit Erfolg. Die 70 bzw. 80 Jahre alten Mieter dürfen bleiben.
Nur mutig gestritten!
Die nächsten Proteste sind schon angekündigt. Für Samstag, 2. Februar rufen mehrere Gruppen zu einer Demonstration, die zwei Jahre nach der Räumung der Liebigstraße 14 in Friedrichshain stattfindet.
Groß und breit wird auch für Donnerstag, 14. Februar nach Kreuzberg mobilisiert. In der Lausitzer Straße 8 hat sich an diesem Tag erneut eine Gerichtsvollzieherin angekündigt. Es ist bereits der dritte Räumungstermin, nachdem der erste durch Präsenz zahlreicher Aktivist/innen scheiterte und der zweite allein aufgrund der Mobilisierung zu einer Blockade kurzfristig abgesagt wurde.
Der Hauseigentümer und Vermieter André Franell will eine dort seit 30 Jahren wohnende Familie aus ihrer Wohnung schmeißen. Ein Brief des Bündnisses »Zwangsräumung verhindern« von November 2012 an Franell mit der Bitte, eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern, indem er die Kündigung zurücknimmt, blieb unbeantwortet. Das mag ein Grund für den Versuch gewesen zu sein, bei André Franell einmal persönlich vorbeizuschauen. Am 26. Januar fand ein kleiner Kiezspaziergang zu seinem Anwesen in Zehlendorf statt, die Polizei gestattete den 25 Spaziergängern jedoch nicht einmal an der Villa zu klingeln.
Der dritte Räumungsversuch am 14. Februar soll ab 7 Uhr mit Massenblockaden verhindert werden. Am Sonntag davor findet für Interessierte ein Blockadetraining statt. Am Tag selbst wollen Anwohner, Mietaktivisten und ihre Freunde dann die Straßen verstopfen und der Gerichtsvollzieherin ebenso wie der Polizei den Zutritt verwehren. Dafür sind viele Menschen vonnöten. Auch die Leser/innen dieses Blogs.
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