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Die Pionierin
Oliver Händler in Nove Mesto über ein Wiedersehen mit Jaqueline Mourao
Wiedersehen macht Freude. Jaqueline Mourao lacht mich an, als sie mich wiedererkennt. Vor elf Monaten waren wir uns in Ruhpolding zum ersten Mal über den Weg gelaufen und sie erzählte mir, wie eine Brasilianerin zum Biathlon kommt (»nd« vom 6. 3. 2012). Der Traum, als erste Skijägerin aus ihrem Land an den Olympischen Spielen 2014 teilzunehmen, lebt also noch. Doch er hängt am seidenen Faden, sagt Mourao. »Ich habe hier im Sprint zu schlecht geschossen, also muss ich im Einzel gut sein, sonst schaffe ich die Olympiaqualifikation nicht.«
Derzeit liegt Brasilien in der Nationenwertung auf Platz 32. Nur bis Rang 27 werden Startplätze für Sotschi verteilt. »Das schaffe ich wahrscheinlich nicht mehr«, sagt Mourao, die im Einzel trotzdem Punkte sammeln muss, um nicht noch hinter die Konkurrentinnen aus Neuseeland oder Bosnien zurückzufallen. »Ich denke, Platz 32 könnte gerade noch reichen«, erklärt sie mir, denn nicht alle Nationen vor den Brasilianerinnen werden ihre kompletten Kontingente ausschöpfen. Ob Mourao in Sotschi dabei sein wird, weiß sie also erst im Januar 2014, wenn die Meldelisten veröffentlicht werden. »Es wäre so schade, wenn ich es nicht schaffe, denn ich habe mich sehr verbessert in diesem Jahr«, sagt die 37-Jährige.
Drei neue Paar Ski hat sie sich gekauft - natürlich aus der Privatkasse. »Die sind länger als die alten, denn ich bin sicherer geworden auf den Skiern. Ich kann jetzt länger gleiten. Ich schieße jetzt auch viel besser. Nur dass Projektile im Dunkeln anders fliegen als im Hellen, wusste ich noch nicht.« Vor dem Sprint hatte sie bei Tageslicht angeschossen. Im Wettkampf verfehlte sie drei gute Schüsse knapp zu hoch, da sich die Visierlinie geändert hatte. »Ich lerne immer noch dazu. Nur hätte es nicht unbedingt im wichtigsten Rennen sein müssen«, sagt Mourao.
Einen neuen Anzug trägt sie auch. Im Vorjahr war sie noch in einer Langlaufkluft ohne Armpolster fürs Liegendschießen unterwegs. »Mein neuer Anzug ist der alte der Franzosen. Ich würde gern in Grün und Gelb laufen, aber für ein neues Design reichte das Geld nicht«, sagt Mourao und lacht. Das tut sie immer, egal wie verzwickt ihre Situation auch ist.
Die Pionierin hat mittlerweile Nachahmerinnen gefunden. Eine zweite Brasilianerin, die über ein Mountainbikeprojekt von Mourao zum Biathlon kam, lief bereits im Weltcup, verfehlte jedoch die WM-Qualifikation. »Der Verband gibt uns jetzt mehr Geld, aber das muss auch auf mehr Athleten verteilt werden«, erklärt Mourao. So wurde ihr kanadischer Ehemann und Lauftrainer Guido Visser nun auch ihr Schießtrainer. Söhnchen Jan wird von der Oma im Hotel betreut. Ins Stadion gehen sie nicht. Mouraos Mutter traut sich nicht auf den rutschigen Schnee. »Den hat sie zu Hause noch nie gesehen.«
Früher war Jaqueline Mourao erfolgreiche Mountainbikerin - die erste brasilianische bei Olympia. 2006 wurde sie die erste olympische Langläuferin aus Brasilien. Wenn's also mit dem Biathlon in Sotschi nicht klappt, dann vielleicht wieder als Langläuferin. Von Nove Mesto wird sie nach Val die Fiemme zur Nordischen Ski-WM reisen. »Da kann ich mich auch qualifizieren«, sagt Mourao. »Aber die Mädchen aus Neuseeland und Bosnien machen das gleiche.« Funktioniert auch das nicht, hat sie immer noch ein Mountainbike im Keller. Rio 2016 lockt.
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