»Zuhause kennt mich keiner«
Tim Burke hofft nach WM-Silber auf mehr Popularität für Biathlon in den USA
Nur echte Biathlonexperten können etwas mit dem Namen Josh Thompson anfangen. 1987 gewann der US-Amerikaner WM-Silber im Einzel. Selbst in den USA kennt ihn kaum jemand. »Ich habe Josh noch nie getroffen, aber natürlich habe ich von ihm gehört«, sagte Tim Burke am Donnerstagabend in Nove Mesto. 26 Jahre nach Thompson hat Burke dessen Leistung wiederholt. »Ich war fünf Jahre alt, als er Silber in meiner Heimatstadt Lake Placid holte. Und jetzt gewinne ich die gleiche Medaille im gleichen Rennen. Das ist wie ein Schock für mich.«
Burkes Silbermedaille hinter dem Franzosen Martin Fourcade war erst das dritte amerikanische WM-Edelmetall überhaupt. Er selbst hatte kaum daran geglaubt. »In meinen ersten beiden Rennen hier fühlte ich mich sehr schlecht. Ich wusste nicht, ob noch irgendwas möglich ist, und nun hängt Silber um meinen Hals«, so Burke. »Mein Trainer Per Nilsson drohte mir heute morgen noch: ›Wehe, Du hörst auf, an Dich zu glauben!‹. Er kennt mich wohl ganz gut.«
Tim Burke ist kein Unbekannter im Biathlon. Zwar gewann er noch kein Rennen, doch trug er vor gut drei Jahren nach zwei Podestplätzen schon mal das Trikot des Weltcupführenden. In Nove Mesto setzte er nun noch einen drauf. »Auf so einen Lauf habe ich mein ganzes Leben gewartet. Beim Weltcup bekommt man schließlich keine Medaille und deine Fahne wird auch nicht hochgezogen. Das ist ein ganz besonderer Tag für mich«, sagte Burke.
Der Tag hätte sogar golden glänzen können, hätte Burke im letzten Schießen nicht doch noch eine Scheibe verfehlt. »Ich will eigentlich nie wissen, wie gut ich im Rennen liege, um mich auf meinen Lauf konzentrieren zu können. Leider hat der Stadionsprecher aber verraten, dass ich ohne Fehler Gold holen könnte. Das hat meinen Plan zerstört«, erinnerte sich Burke an die letzte Ankunft am Schießstand. »Ich wollte diesen Schuss nun ein bisschen zu gut treffen und habe verkrampft.« WM-Gold hat noch nie ein US-Biathlet gewonnen, auch Josh Thompson nicht.
Neben den Worten seines Trainers fand der 31-jährige Burke auch bei seiner deutschen Freundin Inspiration: Andrea Henkel hatte tags zuvor ebenfalls Einzelsilber gewonnen. »Als Andrea lief, war ich viel nervöser als bei meinem eigenen Lauf«, sagte Burke. Ähnliches hörte man nun umgekehrt von Freundin Henkel, die nach Olympia 2014 in Sotschi ihre Laufbahn beenden will und gern zu Burke in die USA ziehen würde. »Vielleicht wird es nach meiner Silbermedaille ja einfacher, eine Green Card für Andrea zu bekommen«, witzelte Burke. Vorausgesetzt, in den USA hat überhaupt irgendjemand etwas von der Medaille mitbekommen. »Ich hoffe, wir Biathleten werden nun etwas bekannter zu Hause. In Europa kennen mich mehr Leute als dort«, wählte Burke fast dieselben Worte, die Josh Thompson vor gut zwei Jahrzehnten am Ende seiner Karriere geäußert hatte. »Dabei liebt jeder Biathlon, dem ich diesen Sport vorstelle. Einen persönlichen Sponsor hatte ich trotzdem noch nie.« Fernsehspots, wie sie Andrea Henkel schon drehte, hat Burke noch niemand angeboten.
Der fast vergessene Josh Thompson ist mittlerweile Pilot einer Charterfluglinie. Vielleicht hat die ja ein paar Dollar für seinen Nachfolger übrig.
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