Tolle Turbulenzen

»Der Mann fürs Grobe«: Im Schlosspark Theater scharmützeln Désirée Nick und Achim Wolff

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Da wütet sie nun in ihrem eleganten, bücherbestückten Büro mit Blick auf Paris und bürstet telefonisch mit allem bösen Charme einen Autor ab, der ihr, Verlagsleiterin Severine, einen Roman über die Liebe zwischen Mann und Ziege offeriert. Gaetan, ihr Lektor, hatte schon Übles darüber verlauten lassen, Sekretärin Celia bestätigt das. Bürobote Guillaume bringt die neue DVD und erlaubt sich einen miesen Kommentar dazu. Zu allem Unglück hat sich ein unangemeldeter Gast eingestellt: Severines Ex-Gatte Jean-Pierre, seit 25 Jahren verschwunden, ein ehemaliger Banker und nun durch Schicksalsschläge so verarmt, dass er Severine um einen Job anbettelt, egal welchen.

Die rächt sich zuerst süffisant verbal und offeriert ihm dann doch etwas: Als Putze, Facility Manager vornehmer ausgedrückt, könne er bei ihr arbeiten, zum Mindestlohn, mit vierwöchiger Probezeit und vielen unbezahlten Überstunden. Na los, beweg deinen Arsch! So scheint alles ins Lot zu kommen, schließlich ist Severine glücklich mit Patrice liiert, ihrem attraktiven Verwaltungschef. Doch wäre dem so, dann wäre dem Franzosen Eric Assous nicht die zwerchfellvibrierende Komödie gelungen, die hier deutsche Erstaufführung erlebt. Schon mit »Achterbahn« landete er am Schlosspark Theater einen veritablen Erfolg.

Etwas muss her, was die scheinbare Ordnung durcheinanderbringt. Das bietet sich, als August Baguett, so der Tarnname des neuen Saubermachmanns, Patrice und Celia beim versuchten Tischsex im Büro erwischt. Damit hat er den Verwalter in der Hand.

Der ungeübten Putze geht ziemlich alles schief, bis hin zur spuckenden, ihre Pappbecher geschossartig versendenden Kaffeemaschine. Doch durch seine stete Anwesenheit im Leitungszimmer, gewissermaßen als stummes Mobiliar, erfährt er aber auch so einiges. Erst verekelt er einen potenziellen Autor und hört dann von Gaetans Begeisterung über einen angebotenen Roman. Die Zitate aus »Porträt eines Mistkerls« lassen Severine aufschrecken und zur Flasche greifen: Es klingt, als erzähle Autorin Victoria exakt die Ehegeschichte zwischen ihr und Jean-Pierre. Na, die soll mal kommen!

Zuvor muss Patrice dienstlich nach Rom und möchte, bloß als Dolmetscherin, versteht sich, Celia mitnehmen. Als sich jedoch herausstellt, dass August besser italienisch spricht, wird er als Reisebegleiter zugeteilt, im selben Hotelzimmer, um Geld zu sparen. Wie chaotisch das für den geprellten Patrice abgelaufen sein muss, lässt sich denken. Celia empfängt ihn sehr ungnädig, Severine aber ist froh, dass August einen so günstigen Vertrag ausgehandelt hat. Und gibt Patrice die Antwort auf seinen vor Jahresfrist gestellten Heiratsantrag: Ja. Das muss August um jeden Preis verhindern. Indirekt zu Hilfe kommt ihm Victoria, jene Frau, um derentwillen er einst Severine verließ, die er ebenfalls bald ablegte und die sich nun mit dem boshaften Roman nach Tatsachen rächen will.

Welche Turbulenzen sich da im trauten Büro abspielen und wie die verfahrene Situation doch noch gerettet werden kann, der Konflikt sich entschärft, gehört zu den vom Rezensenten nicht zu verratenden Betriebsgeheimnissen eines Theaters. Das kann man dort nur selbst erleben. Regisseur Frank-Lorenz Engel ist in der komfortablen Lage, über zwei Stars der Komödienszene zu verfügen, die dem Stück zusätzlich so recht einheizen.

Désirée Nick, hochgewachsen, mit aufgestecktem Blondhaar, ganz seriös hochgeschlossen anfangs, dann in grellrotem Mini, zieht alle Register, um der Severine unverwechselbares Profil zu geben. Sie girrt und leidet, schmalzt und schnauzt, ist süffisant und brutal, lässt ihre Stimme hochfahren und in Tiefen abstürzen, schafft das Kunststück, Severine zu werden und dennoch Désirée Nick zu bleiben. Als ehemalige Tänzerin setzt sie bewusst den ganzen Körper ein, Hüfte raus an passender Stelle, und ist der unangefochtene Star der Szene, sogar wenn sie ihre mütterlichen Gefühle aufblitzen lassen darf, kurz die Diva vergessen macht.

Gefahr droht ihr einzig von Erzrivalen Achim Wolff, einem der Besten seines Fachs, der Nicks Präsenz auf seine Weise pariert: als spät Einsichtiger, der sich, bereits ergraut, endlich zum August macht, um die einst verschmähte Liebe zurückzugewinnen. Marko »Patrice« Pustišek und Birge »Celia« Funke bleibt von der Rolle her nicht viel Gestaltungsraum, Anne »Victoria« Rathsfeld ist hier eh »nur« die Problembereinigerin. Trotz seiner kurzen Auftritte prägt sich Gerd Lukas Storzer als aufgedreht schwuler Gaetan ein, Teenager-Wind weht mit Chris Gebert als Skatboard fahrendem blonden »Götterboten« Guillaume. Zum Premierenjubel trägt eindeutig auch Kim Langners inspirierte Übersetzung bei, die den prallen Dialogen spitzzüngige Fülle gibt und dem Feuer auf diese Weise nochmals Kohle auflegt.

Wieder 3.-8.3., Schlosspark Theater, Schloßstr. 48, Steglitz, Kartentelefon 789 566 7100, www.schlossparktheater.de

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