Fabrik-Aktion
KALENDERBLATT
Unglaubliches geschah im fünften Kriegsjahr in Berlin. Tagelang belagerte eine Menschentraube, mehrheitlich Frauen, Ende Februar 1943 das Haus in der Rosenstraße 2 - 4, dereinst Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde und nun »Sammellager« für Juden aus sogenannten Mischehen, wie es im NS-Jargon hieß. Die Demonstranten forderten die Freilassung ihrer Angehörigen und ließen sich auch von der Schupo nicht vertreiben.
Nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen deutschen Städten waren jüdische Zwangsarbeiter, »Mischlinge« oder Juden aus »Mischehen« am 26. Februar 1943 aufgefordert worden, sich an bestimmten Orten einzufinden. In Wrocław (Breslau) im okkupierten Polen wurden sie überfallartig am frühen Morgen des 27. Februar in ihren Wohnungen oder Fabriken verhaftet und auf dem Gelände der dortigen Synagoge interniert. Nach zwei Tagen war die als »Fabrik-Aktion« in die Geschichtsbücher eingegangene Razzia im gesamten Reich abgeschlossen. Nicht so in Berlin, wo sich die Judenjäger überraschend mit Gegenwehr konfrontiert sahen. Allerdings nur in der Rosenstraße in Berlins Mitte. Insgesamt wurden in der Hauptstadt 8000 Menschen verhaftet und Anfang März in die Vernichtungslager im Osten deportiert. 4000 konnten durch Vorwarnung untertauchen, nur 1500 von ihnen erlebten die Befreiung im Mai 1945. Versteckte Juden wurden massenweise denunziert. Aber es gab eben auch stille Hilfe. Weshalb Goebbels am 2. März verärgert in seinem Tagebuch notierte: »Leider hat sich auch hier wieder herausgestellt, dass die besseren Kreise, insbesondere die Intellektuellen, unsere Judenpolitik nicht verstehen und sich zum Teil auf die Seite der Juden stellen. Infolgedessen ist unsere Aktion vorzeitig verraten worden, so dass uns eine Menge von Juden durch die Hände gewischt sind. Aber wir werden ihrer doch noch habhaft werden.«
Die mutigen Frauen in der Rosenstraße konnten ihre Männer frei pressen. An sie erinnern am 28. Februar eine Gedenkveranstaltung am Mahnmal Rosenstraße (17 Uhr; Foto: Ulli Winkler) sowie die Topographie des Terrors (19 Uhr).
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