Bersani ist der erhoffte Sieger
Sozialdemokraten bei Parlamentswahl in Italien vor Berlusconis Bündnis
Für die Italiener war die Parlamentswahl am Sonntag und Montag nicht nur eine Abstimmung über den künftigen Umgang mit der Finanz-, Wirtschafts- und sozialen Krise. Es ging auch darum zu zeigen, ob die Demokratie im Lande noch funktioniert, nachdem mit Mario Monti ein Jahr lang ein parteiloser Wirtschaftsprofessor auf Geheiß des Staatspräsidenten regieren durfte. Ob eine regierungsfähige Mehrheit in dem Zwei-Kammer-Parlament zustande gekommen ist, war bei Redaktionsschluss noch nicht sicher. Den meisten Prognosen zufolge ist aber nur eines von zwei Horrorszenarien abgewendet worden, nämlich eine Rückkehr von Silvio Berlusconi auf die Regierungsbank. Ein Patt zwischen dem Mitte-links-Bündnis von Pier Luigi Bersani und Berlusconis Rechtsblock, der die Bildung einer stabilen Regierung behindern würde, war nach ersten Hochrechnungen allerdings wahrscheinlich.
Denn nur im Abgeordneten haus haben Bersani und sein Bündnis aus Sozialdemokratischer Partei (PD), Nichi Vendolas »Linke, Ökologie und Freiheit« (SEL) sowie Sozialisten eine Mehrheit erreicht. Dort profitiert der 61-jährige Bersani davon, dass das italienische Wahlrecht einen Bonus für das stärkste Listenbündnis vorsieht, der ihm automatisch die absolute Mehrheit von 340 Sitzen (von insgesamt 630) beschert. Im Senat dagegen blieb die Entscheidung unklar. Jede der 20 Regionen stellt für die zweite Kammer mit 315 Sitzen eine festgelegte Anzahl an Senatoren, die je nach Bevölkerungszahl in der Region variiert. Zunächst hieß es, dass zwischen 156 und 169 Sitze auf Bersanis Bündnis entfallen würden, die Mehrheit liegt bei 158 Senatoren. Schlüsselregion könnte, wie erwartet, die Lombardei gewesen sein, da sie allein 49 Senatoren stellt. Sie ist die Heimatregion des Ex-Premiers Berlusconi, der wieder zusammen mit der Lega Nord den rechten Block anführte.
Rund drei Viertel der mehr als 50 Millionen wahlberechtigten Italiener hatten ihre Stimme abgegeben. Die Beteiligung bei der Wahl des Abgeordnetenhauses lag nach Schließung der Wahllokale am Montagnachmittag bei 75,2 Prozent, wie das Innenministerium in Rom mitteilte. Bei den Wahlen vor fünf Jahren hatten noch 81 Prozent ihre Stimme abgegeben. Schon nach dem ersten Wahltag am Sonntag zeichnete sich ein Rückgang der Beteiligung ab. Über die Gründe wurde zunächst nur spekuliert. Einige Medien machten das schlechte Wetter verantwortlich. Zahlen darüber, ob vermehrt junge Menschen, die von der Wirtschaftskrise besonders betroffen sind, der Wahl fern blieben, wurden noch nicht bekannt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Italien in den vergangenen Jahr so stark gestiegen wie kaum anderswo, seit 2008 um 13,4 Prozentpunkte auf derzeit 37 Prozent. EU-weit liegt die Quote bei 24 Prozent.
Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass gerade viele jüngere Italiener den Populisten und Internetaktivisten Beppe Grillo wählten, dessen »Bewegung der Fünf Sterne« (M5S) aus dem Stand drittstärkste Kraft im Abgeordnetenhaus und Senat wurde. Mit seinen Schimpftiraden gegen die etablierte Politik hatte Grillo in der Schlussphase des Wahlkampfs noch einmal aufgeholt. Er könnte nun ein erheblicher Störfaktor bei der Regierungsbildung sein. Grillo gab seine Stimme erst nach den Spitzenpolitikern Bersani, Berlusconi und Monti am Montag in Genua ab. »Ich erwarte die Ergebnisse in meinem Gemüsegarten. Wer noch immer die alten Parteien wählt, steckt mit ihnen unter einer Decke«, sagte er. »Diese Wahl ändert die Geschichte des Landes, wir werden sehen, wie sehr.«
Die rasche Bildung einer neuen Regierung Italiens wäre nicht nur zur Bewältigung der Krise vonnöten. Bis Mai müssen die Parlamentarier auch einen neuen Staatschef wählen - Giorgio Napolitanos Amtszeit endet dann.
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