Die Zukunft nicht verheizen
In ungewohnter Besetzung siegen die Füchse Berlin in der Champions League gegen Szeged - heute wartet der THW Kiel
Den Videoblog auf seiner Internetseite muss Paul Drux dringend erneuern. Als Aufmacher flimmert dort noch ein kurzer Film über sein Profidebüt bei den Füchsen Berlin vom 2. Dezember. »Davon träumt jeder Junge, ein perfekter Abend für mich«, sagte Drux am Sonntag - keine drei Monate nach dem Gruppenspiel in der Handball-Champions-League in Minsk.
Drux, vor gut zwei Wochen gerade 18 Jahre geworden, erzielte beim 29:24 gegen Ungarns Vizemeister Pick Szeged fünf Tore und war damit nach Johannes Sellin (6) Berlins zweitbester Schütze. Das gibt Selbstvertrauen. Und so wirkte der 1,92 Meter große Blondschopf in der Schlussphase des Spiels gar nicht mehr wie der schüchterne Neuling. Als fünf Minuten vor dem Abpfiff der 19-jährige Tom-Luick Skroblien eingewechselt wurde, gab Drux ihm sofort Anweisungen.
Viel Zeit, dieses »überwältigende Erlebnis« vor 4676 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle zu genießen, hatte Drux nicht. Um acht Uhr musste er am Montagmorgen schon wieder die Schulbank drücken. Ob er heute wieder die Schultasche packen muss oder doch die Reiseausrüstung, wusste Drux noch nicht.
»Wir machen nicht den Fehler und verheizen Paul«, ließ Füchse-Manager Bob Hanning offen, ob er mit nach Kiel fährt. Dort treffen die Berliner heute im Spitzenspiel der Bundesliga auf den THW. Gleichzeitig kündigte er an, dass Drux auch in der kommenden Saison noch in der A-Jugend spielen und nur gelegentliche Einsätze bei den Profis bekommen werde.
Sollte Drux jedoch weiterhin so überzeugend wie gegen Pick Szeged auftreten, wird es für Hanning schwer, bei dieser Entscheidung zu bleiben. Mit seiner enormen Sprungkraft traf Drux nicht nur aus dem Rückraum, sondern auch mit Entschlossenheit bei Tempogegenstößen sowie nach technisch bemerkenswerten Zweikämpfen.
Der gute Nachwuchs bringt die Berliner in eine komfortable Situation. Neben Drux und Skroblien bekam auch der 19-jährige Jaron Siewert gegen Szeged ein paar Minuten Einsatzzeit. Wären Kreisläufer Jonas Thümmler und Rückraumspieler Fabian Wiede, ebenfalls erst 19 Jahre alt, nicht wegen Verletzungen ausgefallen, hätte womöglich eine U20-Auswahl auf dem Parkett gestanden. Aber auch so konnten die Kräfte einiger Stammspieler geschont werden. Auf leicht angeschlagene Spieler hatten die Füchse von vornherein verzichtet, auch weil der Achtelfinaleinzug zuvor schon sicher war.
»Wir haben uns Selbstvertrauen für das Spiel gegen Kiel geholt«, freute sich der erfahrene Kapitän Torsten Laen dennoch über den souveränen Sieg. Trotz der Verjüngung waren die Berliner gegen Szeged stets dominant. Für Bob Hanning ist das kein Zufall. »Dass bei uns so viele junge deutsche Spieler auf dem Parkett stehen, ist das Resultat der Arbeit vergangener Jahre. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft weiter gehen«, kündigte der Manager an. Heute, gegen Kiel, werden die Berliner aber sicher etwas mehr Erfahrung in den Ring werfen.
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