Hennenleben im Akkord
Immerhin: Eierproduzenten und Konsumenten steigen zunehmend auf Bio um
Ein Leben ohne Tageslicht, zusammengepfercht mit tausenden Artgenossen, der Boden aus Metallstangen, die Schnabelspitze abgeschnitten, die männlichen Verwandten nach dem Schlüpfen getötet - das ist immer noch die Realität für einen Großteil der Legehennen in Deutschland. 36,6 Millionen gab es Ende 2012, die meisten lebten in sogenannter Bodenhaltung. Maximal neun Hennen müssen sich dabei einen Quadratmeter Boden teilen. Noch härter trifft es die Tiere in der Kleingruppenhaltung, die die konventionellen Käfigbatterien seit Anfang 2010 in Deutschland und seit Januar 2012 auch EU-weit abgelöst hat: Bei dieser Haltungsform dürfen zwölf Hennen pro Quadratmeter untergebracht werden. Das sind rund anderthalb DIN-A-4-Blätter Platz pro Tier - nicht einmal genug, um die Flügel auszustrecken.
Der Großteil (64 Prozent) der gekauften Eier stammt immer noch von Hühnern aus Bodenhaltung. Allerdings hat sich der Blick der Verbraucher auf die industrielle Massenproduktion in den vergangenen Jahren gewandelt: Eier aus Kleingruppenhaltung werden seltener gekauft - nur noch rund drei Prozent stammen aus dieser. Der Wunsch nach tiergerechter Haltung schlägt sich messbar im Einkaufsverhalten nieder: Ein Viertel der gekauften Eier stammt aus Freilandhaltung, immer größer wird das Interesse der Verbraucher auch an Eiern aus ökologischer Geflügelhaltung: Auf rund neun Prozent der gekauften Eier findet sich inzwischen die Stempel-Kennzeichnung 0, die für Bio-Eier steht.
Deren Produktion ist EU- und deutschlandweit strengen Richtlinien unterworfen: So müssen die Hennenhalter nachweisen, dass jedes Tier vier Quadratmeter Auslauffläche hat, und fast ausschließlich Biofutter bekommt - möglichst aus eigenem Anbau. Damit die Hühner ihren natürlichen Lebensgewohnheiten zumindest annähernd folgen können, müssen auf dem Freigelände Gras, Bäume und Büsche wachsen, und der Stallboden soll Möglichkeiten zum Scharren bieten. Auch der Wechsel von Tag und Nacht soll ein natürlicher sein: In der konventionellen Hühnerhaltung ist es üblich, die Ställe praktisch rund um die Uhr zu erhellen, um so die Legeleistung der Tiere zu erhöhen. In der öko-zertifizierten Hennenhaltung dagegen darf es insgesamt nicht mehr als 16 Stunden am Tag hell sein, das natürliche Tageslicht mit eingerechnet.
Einige Bio-Verbände haben sich noch strengere Regeln auferlegt: So wirbt der Demeter e.V., damit, dass seine Mitgliedsbetriebe ihre Hühner in kleinen, von Hähnen geführten Gruppen halten und zu 100 Prozent mit Bio-Futter ernährt werden. Bei schlechtem Wetter können die Tiere im Wintergarten frische Luft tanken, ohne nass zu werden.
Trotz der strengen Regelungen, die die Bio-Geflügelhaltung gegenüber der industriellen Eierproduktion aufwendiger und teurer machen, wollen immer mehr Landwirte am derzeitigen Bio-Boom mitverdienen: Im Dezember 2012 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1277 Betriebe mit jeweils mehr als 3000 Legehennen. Davon hielten 221 ihre Hühner nach ökologischen Richtlinien - ein Anstieg um 50 Prozent gegenüber 2009.
Doch wie am aktuellen Skandal um falsch deklarierte Eier zu sehen ist, gibt es unter den Landwirten auch schwarze Schafe: Einige hielten mehr Hühner als für ihre Stallgröße zulässig, verkauften die Eier aber dennoch unter dem Bio-Siegel zum teureren Bio-Preis. Zwar überprüfen die derzeit 20 zugelassenen Bio-Kon- trollstellen die öko-zertifizierten Betriebe je nach Größe mindestens einmal jährlich; die Tiere zählen können die Prüfer dabei jedoch nicht. Zudem fehlen nach Angaben des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure und des Beamtenbundes deutschlandweit ohnehin mehrere tausend Kontrolleure.
Die Voraussetzungen für Betrügereien sind also gegeben, und manche Tierhalter nutzen sie aus. Insgesamt wurden im Jahr 2011 bundesweit 17,4 Milliarden Eier verbraucht, über die Hälfte von Privathaushalten. Bei über 200 Eiern pro Kopf und Jahr lässt sich gutes Geld verdienen - Bio-Eier sind mehr als doppelt so teuer wie jene aus Bodenhaltung.
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