Irdische Richter vorm Altar
Evangelische Kirche erstreitet den Abriss eines nicht mehr genutzten Gotteshauses in Hannover
Beim Treffen von Verwaltungsrichtern und Kirchenexperten in der Corvinuskirche in Hannover ging es weder um Gebet noch um Chorgesang. In einem höchst ungewöhnlichen Verfahren musste am Dienstag über den Abriss des Kirchengebäudes entschieden werden. Dafür gaben die Richter der Kirche gegen den Willen des Landesamtes für Denkmalpflege grünes Licht. Das Landesamt habe die Kirche aus den 60er Jahren zum Denkmal erklärt, ohne angesichts einer Vielzahl ähnlicher Kirchen zu klären, ob dem Bauwerk besondere Bedeutung zukomme, hieß es zur Begründung.
Bundesweit müssen die beiden großen Kirchen sich derzeit angesichts schrumpfender Gläubigenzahlen von Dutzenden Kirchenbauten trennen, die in den 60er Jahren in Neubaugebieten errichtet wurden. Manchmal bleibt mangels weiterer Nutzung nur die Abrissbirne. Eine besondere städtebauliche Bedeutung konnte das Gericht bei der Kirche in Hannover nicht erkennen. Dass die Kirche mit ihrem frei stehenden Glockenturm einen städtebaulichen Akzent setze, reiche für eine Einstufung als Denkmal nicht aus.
»Das ist wirklich ein Ausnahmefall, das hatten wir in dieser Dimension noch nicht«, sagte der Sprecher der hannoverschen Landeskirche, Johannes Neukirch. In aller Regel einigten sich Kirche und Denkmalschutz ohne große Konflikte. Gegner der Abrisspläne hatten in diesem Fall den Denkmalschutz auf den Plan gerufen.
Wie Pastor Lüder Meyer-Stiens erklärte, will die Gemeinde ihre beiden Kirchen aufgeben und vom Grundstückserlös der abgerissenen Kirche den Kauf eines katholischen Gotteshauses finanzieren. Beide Konfessionen können diese Kirche dann abwechselnd für Gottesdienste nutzen.
»Auch Steine predigen«, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Reinhard Mawick, zur emotionalen Bindung an Kirchengebäude. Dort wo Menschen geheiratet und ihre Kinder getauft und konfirmiert hätten, fühlten sie sich beheimatet. »Wenn diese Kirche dann abgerissen wird, ist das ein schmerzlicher Vorgang.« Zu beobachten sei, dass nicht nur treue Kirchgänger, sondern auch Einwohner in eher kirchenfernen Landstrichen in Ostdeutschland sich in Kirchbauvereinen für den Erhalt von Gotteshäusern engagierten. Statt eines Abrisses wurde für etliche der ungenutzten Kirchen in Deutschland unterdessen eine kreative Lösung gefunden.
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