Der Natur nützt nur Umdenken

Umweltschützer, Wissenschaftler und Politiker tagten in Hamburg zur Zukunft der deutschen Küstenregionen

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf der Konferenz »Küstenforschung, Küstennutzung und Küstenschutz« wurde vor allem klar: Die Politik hinkt beim Umweltschutz hinterher.

Die Küstenregionen wecken viele Begehrlichkeiten: Tourismus, Fischerei, Energiegewinnung, Aus- und Umbau von Schifffahrtsstraßen sind Wirtschaftsfaktoren. Sie rufen aber auch Naturschützer auf den Plan. »Ich kenne keine Lebensräume, in denen so viele Interessen aufeinander prallen«, sagte die Hamburger Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) am Montag zur Eröffnung der Konferenz »Küstenforschung, Küstennutzung und Küstenschutz«.

Rund 260 Experten trafen sich in der Hamburger Handelskammer, um gemeinsam mit Politikern einen Kompromiss zwischen marktwirtschaftlichen Interessen und Naturschutz zu finden. Themen wie die Veränderung der Meeresökosysteme, Konfliktbewältigung im Nationalpark Wattenmeer und die Wasserqualität standen auf der Tagesordnung.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sprach über die aus der Energiewende resultierenden Herausforderungen für die Küstenländer. So ziehe die Trassenlegung für die Anbindung der Offshore-Windräder eine Parzellierung der Fanggebiete der Krabbenfischer nach sich. Ein weiteres Problem: Der Klimawandel könne zu einem Anstieg des Meeresspiegels von 0,5 bis 1,5 Metern führen und zwinge zu teuren Deichbaumaßnahmen.

»Wir haben nicht klug genug der Tatsache Rechnung getragen, dass die Regeln der Natur unverschiebbar sind«, erklärte Habeck. Genau deswegen steht der Minister in der Kritik von Naturschützern: Habeck gestattet es großen Förderunternehmen, Schleswig-Holstein nach geeigneten Regionen für die Anwendung der Risikotechnologie Fracking zu durchforsten - ohne die Bürger zu informieren.

Solche heißen Eisen (gleiches gilt für die vorläufig vom Bundesverwaltungsgericht gestoppte Elbvertiefung) wurden von den Landespolitikern nicht angepackt. Der Appell von Hans von Storch, Leiter des gastgebenden Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, »gemeinsame Strategien zu entwickeln«, zeigte offenbar kaum Wirkung. Nachdem Stapelfeldt, die geforderte Zusammenarbeit noch schnell als »Herzensangelegenheit« tituliert hatte, verließ sie mit ihren Ministerkollegen die Konferenz. Ein Verhalten, das von Heinz Glindemann, einem Ex-Mitglied der Hamburger Hafenverwaltung, kritisch kommentiert wurde.

Danach nahm sich Glindemann das »Hau-Ruck-Handeln« der Politik bei extremen Naturentwicklungen vor. »Wir müssen jetzt die Deiche erhöhen, weil früher falsch gehandelt wurde und es nun zu spät ist, etwas anderes zu tun«, sagte er. So hätten die vielen Ausbaumaßnahmen in der Elbe die Fließgeschwindigkeit der Flut beschleunigt - Massen von Sedimenten lagern sich deshalb bis kurz vor Hamburg in der Fahrrinne ab.

Glindemann fordert ein Umdenken: »Wir müssen der Natur die Hand geben und sie als Freund behandeln.« Im konkreten Fall bedeute das, im Mündungsgebiet der Elbe wieder Sandbänke entstehen zu lassen, die den Strom abbremsen. Ebenso wie Hans von Storch (»Das Thema steht mitten im Wohnzimmer«) mahnte Glindemann, sich rechtzeitig dem Klimawandel zu stellen. Bedrohliche Entwicklungen könnten mit Hilfe computergestützter Langzeitmonitorings vorausberechnet und mit »behutsamen Schritten«, die den natürlichen Dynamiken folgen, abgemildert werden.

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