Söhnchen macht Karriere

»Klein Zaches genannt Zinnober« im Theater an der Parkaue

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Foto auf dem Programmzettel zeigt, wie »Klein Zaches genannt Zinnober« aus einem Gulli am U-Bahnhof Frankfurter Allee kriecht. Das trifft's. Solche Gestalten tauchen zu allen Zeiten auf, die Täuscher, Blender, Verführer. Genau dahin will Regisseur Kay Wuschek. Das lässt er die Titelfigur des Märchens von E.T.A. Hoffmann aus dem Jahre 1819 auch sagen. Zu Lebzeiten des Autors rätselte man, welche Zeitgenossen er wohl karikierte vor dem Hintergrund des Zerfalls Deutschlands in die Kleinstaaterei. Den damaligen Herrschaften fielen einige ein. Dennoch blieb die Sache schleierhaft.

Wuschek inszeniert das Märchen als Komödie in eigener Textfassung. Der Intendant des Jungen Staatstheaters ist - wie schon in seinem ungewöhnlich locker inszenierten »Hamlet« - auf einem heiteren Weg. Er fährt die Komödie nicht hoch. Er spitzt sie von Anfang an zu.

Übermütig gemacht sind dazu die Kostümierung durch Clemens Leander und die Maske von Petra Lorz. In alle Richtungen stehen die Haare der Darsteller ab. Nur Helmut Geffke, der Paphnutius, den Pfarrer und Fabian spielt, bleibt besser so, wie er ist. Am struppigsten gerät Klein Zaches. Nicht schwarzhaarig wie im Märchen, sondern zinnoberrot zeigt Wuschek ihn.

Nach dem Tode des liberalen Fürsten Demetrius beginnt das Spiel. Da ist es gerade vorbei mit den blühenden Landschaften im fiktiven Fürstentum, auf die man durchs »Fenster« sieht. Denn nun übernimmt Paphnutius die Macht. Hilflos anfangs. Wie so oft kommt die Politik aus der »zweiten Reihe«. Beratend weist Referendarius Pulcher den Weg. Bisher im Staate ansässige gute Zauberwesen flüchten.

Bevor auch die Fee Rosabelverde abreist, erweicht das Bauernweib Liese (Elisabeth Heckel, später auch Candida) ihr Herz. Die Frau gebar einen Weselbalg, der ihr den Nerv raubt. Rosabelverde nimmt sich des knurrenden »Untierchens« mit den kleinen bösen Augen an. Für die Mutter eine Erlösung. Was die Fee (Caroline Erdmann) damit der Gesellschaft hintersinnig zur Belohnung hinterlassen will, steht auf einem anderen Blatt. Fortan halten nämlich alle Klein Zaches genannt Zinnober für klug und schön. Erwachsen geworden, avanciert der Señorito, das Söhnchen, zum Geheimen Spezialrat.

Dorthin unterwegs nimmt sich der Blender alles, was ihm gefällt. Auch Candida, die Liebste des Studenten Balthasar, als der Johannes Hendrik Langer dem Geschehen zunächst fassungslos gegenübersteht. Klein Zaches' Aneignungsschrei gerät so gellend, dass die gerade beim literarischen Tee befindlichen Herrschaften sich Tassen und Teller vor die Ohren halten. Birgit Berthold spielt stark als hässlicher Zaches-Zwerg.

Nun sind der Turbulenz Tür und Tor geöffnet. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Bühnenbild von Florent Martin gibt dafür alle Möglichkeiten her. Er fügte fürs Rein- und Rausrauschen sogar ein paar Schlupflöcher hinzu. Mit Sorgfalt wird das kleine Porträt zum Herrscherwechsel an der Bühnenwand ersetzt. Wenn der Student samt seines Gefährten im Laboratorium von Doktor Prosper Alpanus (Denis Pöpping) nach einem Mittel zur Entzauberung Zinnobers sucht, wird daraus ein lebendiges Gemälde. Pöpping zeigt in mehreren Rollen starke Komik. Er wird nur von Michael Del Coco übertroffen, der als Andres der geborene Komödiant zu sein scheint. Den spießigen Brautvater gibt feist Elvira Schuster.

Und wie der Dichter es wollte, bekommt nach aller Mühe das Märchen von Klein Zaches genannt Zinnober »nun wirklich ganz und gar ein fröhliches Ende«.

Wieder ab 16.3., Theater an der Parkaue, Tel.: 55 77 52 52,
www.parkaue.de

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