Hühner verspeisen Hühner

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Werbung verfolgt bekanntlich das Ziel, Aufmerksamkeit bei mir, dem Konsumenten, für ein Produkt zu wecken, was dann aus Sicht des Herstellers im Idealfall zum Kauf führt. Bei so mancher Kauf-Anreiz-Pyschologie sollte man die dahinterstehende Marketingfirma allerdings fragen, ob sie mich den Konsumenten für vollkommen bescheuert hält. Beinahe täglich komme ich an einem Supermarkt vorbei. Auf dem Parkplatz davor bietet ein Verkäufer aus seinem mobilen Verkaufsfahrzeug gebratenes Hühnchen an. Soweit nichts Neues von der Situation auf deutschen Supermarktparkplätzen.

Allein die dazugehörige Werbung irritiert dann doch. Da empfiehlt doch tatsächlich ein fröhlich gackernder Hahn in Kochbekleidung den Verzehr seiner braun gebrutzelten Artgenossen. Schürze und Kochmütze scheinen dem schrägen Pappvogel nicht gut zu bekommen. Worin soll da bitte die Botschaft zum Kaufanreiz liegen? »Hey Leute, es ist absolut okay, wenn ihr mich esst?« Entsprechende Pendanten lassen sich im Stadtbild auch für andere Schlachttiere finden. Kuh frisst Kuh, Schwein frisst Schwein. Botschaft verstanden? Tiere würden laut Werbeindustrie vollkommen hemmungsfrei dazu aufrufen, es sei vollkommen in Ordnung, wenn ihre Artgenossen auf dem Teller landen. Wenn dazu überdies noch ein Hahn im Kochkostüm zum Kannibalismus im Tierreich aufruft, dann vergeht einem sofort der Appetit.
Oder hat der Gockel, wie es sich für einen anständigen Koch gehört, etwa vergessen, seine Artgenossen vor dem Feilbieten auf dem Supermarktparkplatz mit Gewürzen abzuschmecken? Dass das Tierreich nicht frei von ungewollten Kannibalismus ist, kennt man durch die Verfütterung von Tiermehl. Seit 2001 ist diese Praxis innerhalb der EU immerhin für Nutztiere wie Rinder und Schweine verboten. Allerdings nicht, weil niemand von den verantwortlichen Bürokraten in Brüssel es als anstößig empfand, wenn Kühe die zermahlenen Überreste ihrer toten Stallnachbarn vorgesetzt bekamen, sondern weil Tiermehl als Übertragungsrisiko für den BSE-Erreger gilt, der nun wiederum Schaden am Menschen anrichten kann. Hunde und Katze dürfen dagegen, allerdings mit Einschränkungen, weiterhin fröhlich Tiermehl verspeisen.

Unseren freundlichen Hühnerkoch auf Pappe konnte leider niemand fragen, ob er es gut findet, als fragwürdige Werbefigur herhalten zu müssen. Wahrscheinlich gilt auch hier das alte Stichwort: Fressen und gefressen werden!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Vleischeslust