Weißt du, was du sahst?

Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle erobern Salzburg mit »Parsifal«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Parsifal» war einst exklusiv für Bayreuth reserviert. Das ist lange her. Seit die Sperrfrist abgelaufen ist, hat die «Bühnenweihfestspiel» genannte Klangdroge höchstens noch das Privileg, im ach so christlichen Deutschland auch Karfreitag unbeanstandet auf den Spielplan zu kommen. Als besonderes Opernosterei. Wegen des ja wirklich wundersam zarten Karfreitagszaubers in all dem Gralsgetöse. Und wegen der christlichen Erbauung, deren Wirkung wohl vor allem darauf beruht, dass sie keiner so richtig erklären könnte. Was Wagner nicht irritierte. Sein kunstreligiöses Hauptwerk ging eh schon dem Gottesmörder Nietzsche über die Philosophenhutschnur. Weißt du, was du sahst? So fragt Gurnemanz den Eindringling Parsifal und erwartet natürlich kein «Ja» als Antwort.«

Wenn Michael Schulz - jetzt Intendant in Gelsenkirchen und davor in Weimar mit einem gescheiten »Ring« aufgefallen - nach seiner Salzburger Inszenierung in die Runde fragen würde, dann hätte sein Parsifal wohl besonders viele Mit-Nichtwisser. Allzu verschraubt sind seine Versuche, mit den Ritualen und brodelnden Obsessionen klarzukommen. Kundrys Problem mit Jesus etwa führt bei Schulz zu einem dauerpräsenten Bilderbuch-Jesus, mit dessen menschlichem Schatten sie sogar eine Beziehung anfängt. Zumindest versucht sie es, bis die Herren vom Gral dazwischengehen. Dass dieser Gral sich hier übrigens als eine Augenbinde für Jesus erweist, mag sich ja noch deuten lassen. Warum aber die weiß gekleidete Ritterbagage bei dessen Anblick sich vorher geradezu hysterisch gebärdet, bleibt ein Geheimnis.

Sonst sind Schulz und sein Ausstatter, der Bildhauer Alexander Polzin, auf scheinbare Klarheit durch Sterilität aus. Mit einem Wald aus transparenten Röhren im ersten, einem Skulpturen-Sammelplatz im zweiten und einer einsamen Eisscholle im dritten Akt. Doch was sie dann bieten mit der Personalunion von Amfortas und Klingsor, den fünf Doubles für Parsifal, den roboterhaften Blumenmädchen, dem kleinwüchsigen Klingsor-Alter-ego und Kundrys Lovestory mit Jesus bleibt halbgewalkt und verstiegen. Vor allem, weil gescheite polemische Gedanken zu wenig in schlüssige Bilder münden.

Aber es ging hier eh vor allem um die Musik -, weil der als Wagner-Spezialist geltende Christian Thielemann und seine Sächsische Staatskapelle Dresden das erste Mal nach der Knall-auf-Fall-Flucht der Berliner Philharmoniker ins noch lukrativere Baden-Baden die Osterfestspiele bestreiten. Und das mit durchschlagendem Erfolg bei einem Publikum, das bis zu 490 Euro für einen Platz hinlegte. Thielemann ging eher flott zur Sache und ließ es auch mal krachen.

Johan Botha ist als Parsifal darstellerisch eine Luftnummer, um den man nur heruminszenieren kann, aber doch ein Weltklassetenor. Michaela Schuster spielt und singt sich als Kundry die Seele aus dem Leib. Für Wolfgang Koch sind Amfortas und Klingsor an einem Abend keine Hürde. Jubel für Thielemann und alle Interpreten. Buhs für die Regie.

Bevor man über diesen »Parsifal« in Dresden rätseln kann, wird er auch in Madrid und Peking zu sehen sein.

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