Fan-Protest beigelegt, Dilemma bleibt

Management des EHC Eisbären Berlin reduziert auf Druck der Fans die drastischen Preiserhöhungen

Mit den Fans im Rücken stießen die Berliner Eisbären die Tür zum Halbfinale im Kampf um die deutsche Eishockeymeisterschaft weit auf. Die Berliner feierten am Donnerstagabend im fünften Playoff-Viertelfinalespiel gegen die Hamburg Freezers einen umjubelten 3:2-Heimerfolg, wobei der Siegtreffer buchstäblich in letzter Sekunde fiel. Damit gehen die Eisbären mit einem 3:2-Siegvorteil in die maximal noch zwei Spiele der »best of five«-Serie am Sonnabend in Hamburg und am Montag in Berlin. Vier Siege sind zum Einzug ins Halbfinale nötig.

»Die Playoffs können jetzt richtig beginnen«, hatte die Sprecherin des Fanbeirats, Susanne Wegener, nach den erfolgreichen Verhandlungen mit dem EHC-Management am späten Mittwochabend angekündigt und bekräftigt: »Nachdem der Streit beigelegt ist, werden wir die Eisbären wie gewohnt und vielleicht sogar noch mehr unterstützen als je zuvor.«

In den vorangegangenen vier Playoff-Spielen hatten die Eisbären-Fans massiven Protest geübt gegen die angekündigten drastischen Dauerkarten-Preiserhöhungen für die nächste Saison, die das EHC-Management unbedingt durchsetzen wollte, und zwar auf Druck der Anschutz Entertainment Group (AEG) des Firmenimperiums des US-amerikanischen Multimilliardärs Philip F. Anschutz, Eigner des Vereins und Besitzer der Arena am Ostbahnhof. Von bis zu 60 Prozent erhöhten Preisen war die Rede, wobei die Playoffs ab dem Halbfinale nicht mehr in den Dauerkarten inbegriffen sein sollten. Die 22 Rollstuhlfahrer sollten keinen freien Eintritt mehr haben, stattdessen 270 Euro pro Saison zahlen.

Die 4000 Fans mit Dauerkarte reagierten unmissverständlich, verließen im ersten Heimspiel nach Anpfiff demonstrativ die O2 World und kamen zum zweiten Match allesamt in Schwarz, ohne Vereinsfahnen, keiner im Eisbärentrikot und verliehen ihrem Protest mit Stillschweigen Ausdruck und gelegentlichen Antisongs Ausdruck. Auch die vielen Transparente in der Fankurve ließen an Deutlichkeit nichts offen: »Nur der Euro zählt« und »Wir sind unerwünscht«. Zu den beiden Auswärtsspielen in Hamburg waren die Fan-Busfahrten abgesagt worden. Eine in der Eisbären-Geschichte – und weit darüber hinaus – geradezu einmalige, massive Protestwelle!

Die EHC-Führung stand in dieser Protestwoche gewaltig unter Druck, zumal auch sportlich auf dem Eis wenig zusammenlief. Der Fan-Protest hatte auch deutliche Spuren in den Köpfen der Spieler hinterlassen. »Unsere Fans sind ein ganz besonders wichtiger Teil der Eisbären-Familie«, bestätigte EHC-Manager Peter John Lee und legte nach mehreren Verhandlungsrunden dem Fanbeirat, der die Fangemeinde geschlossen hinter sich wusste, schließlich ein neues Preiskonzept vor, das für beide Seiten akzeptabel ist: Für die 4000 Dauerkarteninhaber wird es einen Frühbucher-Angebot (bis 31. Mai 2013) geben mit einem gegenüber dieser Saison nur um elf bis 16 Prozent erhöhten Preis – sämtliche Playoffs inklusive. Der Preisanstieg für die 1200 Stehplatz-Dauerkartennutzer beträgt elf Prozent. Die 22 Rollstuhlfahrer mit einem Begleiter werden auch in Zukunft ihre Dauerkarten kostenfrei erhalten. Dieses Kontingent soll sogar noch erweitert werden. Angekündigt ist zudem, dass die Preisanhebung bei Tagestickets sowie Familien- und Kinderkarten moderat ausfällt.

Der Fan-Protest ist (vorerst) beigelegt – aber das eigentliche Dilemma ist damit nicht aus der Welt. Denn der Hintergrund der Preiserhöhungen ist der Schuldenberg der Eisbären von nahezu 42 Millionen Euro, der sich in all den Jahren seit der totalen Übernahme des Vereins 1999 durch Anschutz angehäuft hat. Nun drängt der Investor aus Los Angeles auf Schuldenabbau und möchte am liebsten seine Sportsparte in Europa verkaufen. Bislang hat er noch keinen Käufer gefunden. Aber über kurz oder lang wird das Anschutz-Imperium – nicht zuletzt auf Drängen der Erben – den Finanzhahn zudrehen. Dann retten auch Eintrittspreis-Erhöhungen den Nachfolgeverein des EHC Dynamo Berlin nicht mehr. Bleibt in der Finanzkrise dann gar nur der Weg zurück an die Wurzeln? Insider verweisen hinter vorgehaltener Hand darauf, dass der alte »Dynamo«-Vereinsname noch frei ist…

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