Gesellschaftlich relevant

Tom Strohschneider über die diesjährigen Ostermärsche der Friedensbewegung

  • Vom Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

„Die Ostermärsche verlieren gesellschaftlich an Relevanz“, sagt einer, der daran ein Interesse haben muss: der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, einer Vereinigung, deren letzter Zweck im Gegenteil von Frieden besteht. Und dem Anschein nach fühlt sich ein Todes-Lobbyist wie Georg Wilhelm Adamowitsch wohl auf der empirisch sicheren Seite. Schließlich kommen weniger Menschen zu den Aktionen der Friedensbewegung als in der Vergangenheit.

Dennoch liegt der Rüstungsmann so falsch wie es nur geht, wenn einer die Interessen einer Kapitalfraktion, die mit Mordgerät Geld verdient, für das Gesamtanliegen einer Gesellschaft hält. Als relevant bezeichnen wir Dinge, Fragen und Bewegungen, denen wir eine bestimmte Wichtigkeit beimessen. Es kommt also nicht so sehr darauf an, ob etwas groß in Mode ist, ob viele Menschen der Sache bereits sichtbar zustimmen - sondern dass ein begründeter Sinn darin liegt, der größer ist als das, was uns praktisch erscheinen mag.

Natürlich würde man es für angemessen halten, wenn statt ein paar Zehntausenden bundesweit viel mehr Menschen gegen Kriege, Drohnen und die Militarisierung der Gesellschaft auf die Straße gehen würden, die zuständige Minister und Magazine als »Normalisierung« bezeichnen. Das Anliegen der Ostermärsche ist „relevant“ - und vielleicht gibt es gar nicht so viele Dinge, die man bedeutsamer nennen würde als Engagement für den Frieden. Darum, dass diese Bedeutung nicht nur erkannt wird, sondern auch die (wieder) Menschen bewegt, trotz Schneeregens und Osterfeiertag gegen den Handel mit Waffen, die gegenwärtigen kriegerischen Konflikte und das zunehmende Tschingderassabum in der Gesellschaft auf die Straße zu gehen, muss eine Friedensbewegung allerdings auch selber kämpfen.

In der Beteiligung an den Ostermärschen 2013 zeigt sich die Erschöpfung einer Tradition. Wo einst Hunderttausende gegen die Atombewaffnung demonstrierten, ziehen heute bisweilen nur noch Dutzende durch die Innenstädte. Es gibt gute Gründe, über die Strategie, über die Forderungen, über das Wesen der Aktionen zu diskutieren. Kontroverse Anstöße dazu hat es in diesen Tagen durchaus gegeben: Er halte es „für unmoralisch, auf Demonstrationen zu gehen, wenn ich gleichzeitig etwas tun kann“, erklärte der Aktionskünstler Philipp Ruch mit Blick auf die Ostermärsche. Und der Konfliktforscher Johannes M. Becker meinte, an den Oster-Aktionen würden Menschen vor allem zur Beruhigung des eigenen Gewissens teilnehmen.

Ist das so? Vielleicht trifft man bei dem einen oder anderen auf ein solches Motiv. Und vielleicht ließe sich auch mehr tun in einer Gesellschaft, deren Erregungsmechanismen zwar ganz gut funktionieren, wenn einmal wieder Panzer oder anderes Schieß- und Unterdrückungsgerät in Länder exportiert wird, die damit genau das tun: schießen und unterdrücken; die aber nach der Empörung schnell auch wieder in den üblichen Gang der Dinge zurückfällt.

An der Frage der Wichtigkeit der Ostermärsche ändert aber das eine wie das andere nichts. Sie sind für all jene, die an diesem Wochenende trotzdem zu Hause geblieben sind, Beispiel dafür, dass man ein Zeichen setzen kann. Sie sind Symbol dafür, dass friedenspolitische Traditionen noch nicht ganz abgerissen sind - und Mahnung, dass man immer auch nach neuen politischen Wegen suchen muss, auf denen sich dann auch wieder mehr Menschen für eine friedlichere Welt und gegen jene Waffenprofite bewegen können, die ein Rüstungslobbyist wie Adamowitsch ganz sicher für „gesellschaftlich relevant“ hält.

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