Berufsverbotspraxis unterm Hakenkreuz

Das NS-Gesetz über das Berufsbeamtentum vertrieb Juden und politisch Missliebige aus deutschen Ämtern

  • Heinrich Fink
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht erst »Auschwitz« ist Signatur des faschistischen Antisemitismus. Bereits 68 Tage nach der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler wurde ein Gesetz veröffentlicht, das den neuen Machthabern in Deutschland ermöglichen sollte, jüdische und politisch missliebige Personen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Die Bezeichnung »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« gab der Aktion vor 80 Jahren gezielt einen positiven Namen. Der Historiker Uwe Dietrich Adam nennt den Titel im »Reichsgesetzblatt« vom 7. April 1933 eine zynische Umkehr des eigentlichen Sachverhaltes.

Schon die am 28. Februar 1933 vom Reichspräsidenten Hindenburg erlassene »Verordnung zum Schutz für Volk und Staat« hatte ermöglicht, politische Gegner »in Schutzhaft« zu nehmen und Proteste gegen den immer zügelloser werdenden Terror der Nazis als Widerstand gegen die Staatsgewalt zu werten. Am 1. April 1933 kam es reichsweit zum Boykott jüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen und Anwaltskanzleien. Juden wurden von SA-Männern auf offener Straße angepöbelt, aus Gerichtssälen, Universitäten, Schulen, Museen und Theatern gejagt. Jüdischen Professoren, Lehrern, Künstlern und Angestellten wurde nahegelegt, umgehend Beurlaubungsanträge zu stellen oder selber gleich ganz auf eine weitere Berufsausübung zu verzichten.

Unter dem Vorwand einer »ständig wachsenden Erregung« des deutschen Volkes gegen »die Überfremdung durch Juden« sollte Deutschland judenfrei gemacht werden. Dem diente auch das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, das im Titel fälschlich suggerierte, in der Weimarer Republik seien die Rechte des Beamtenstandes aufgelöst worden, die nunmehr wieder hergestellt würden. In Wahrheit bot es die Handhabe für Berufsverbote. Im Paragraph 3 hieß es: »(1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand (§§ 8 ff.) zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.« Die Ausnahmeregelung für jüdische Bürger, die im Ersten Weltkrieg gedient oder Angehörige verloren hatten, wurde als »Frontkämpferprivileg« bezeichnet und sollte nur noch zwei Jahre gelten.

Die sogenannten Arierparagraphen im »Berufsbeamtengesetz« wie auch in dem am gleichen Tag ausgefertigten »Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft« nahmen die Nürnberger Rassengesetze von 1935 vorweg. »Nicht-Arier« im öffentlichen Dienst konnten sofort in den Ruhestand versetzt werden. Am 25. April 1933 folgte das »Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen«, das die Neuzulassung jüdischer Schüler auf 1,5 Prozent senken sollte. Nach der Gründung der Reichskulturkammer am 22. September des Jahres auf Betreiben von Propagandaminister Goebbels wurden Juden aus der Presse, dem Verlagswesen sowie aus allen künstlerischen Berufen ausgeschlossen. Nahezu sämtliche Organisationen und Verbände sowie berufsständische Vereinigungen übernahmen im vorauseilenden Gehorsam oder auf Druck der Nazis die »Arierparagraphen«.

Das »Berufsbeamtengesetz« und alle nachfolgenden Verordnungen richteten sich jedoch nicht nur gegen die jüdischen Bürger, sondern sollten auch den Ausschluss von allen politischen Gegnern sowie Personen aus öffentlichen Ämtern ermöglichen, die nicht die Gewähr boten, jeder Zeit rückhaltlos für den NS-Staat einzutreten. Auf dieser scheinlegalen Grundlage waren bis Ende 1935 allein an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität 230 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter entlassen - darunter Gelehrte mit Weltruf, wie der Chemiker Fritz Haber, der Physiker Erwin Schrödinger und seine Kollegin Lise Meitner, der Mediziner Bernhard Zondek und der Sexualforscher Magnus Hirschfeld. An keiner Fakultät gab es solidarischen und sichtbaren Protest gegen die Entlassungen der jüdischen oder politisch unangepassten Kollegen, weder seitens des Lehrkörpers noch der Studentenschaft. Im Gegenteil, viele Studenten waren bereits derart fanatisiert, dass sie von sich aus vor Hörsälen Wachposten bezogen, um entweder jüdischen Professoren den Zugang zu verweigern oder Hörern den Zugang zu Vorlesungen nichtarischer Dozenten zu verwehren. Nur einige Studenten wagten es, den Indoktrinierten die Stirn zu bieten. Ehemalige Studenten der Berliner Universität, wie Klaus Gysi, Stefan Heym und Erwin Chargaff berichteten in ihren Autobiografien von Prügeleien.

In der »Geschichte der Universität Unter den Linden 1810 bis 2010« bemerkt Sven Kinas, dass schon vor dem Erlass des »Berufsbeamtengesetzes« ein Teil der Universitätslehrer auf drastische Weise mit nationalsozialistischer Gewalt konfrontiert worden war. Betroffen waren vor allem die an städtischen Krankenhäusern tätigen »nichtarischen« Mitglieder der Medizinischen Fakultät. Dozenten auch anderer Fakultäten, die bereits im Frühjahr 1933 aus »rassischen oder politischen Gründen« Opfer gewalttätiger Übergriffe wurden, flohen aus Deutschland. Das Land verarmte geistig und kulturell. Schuld daran waren die Nazis mit ihrem Antisemitismus, Antiliberalismus und Antikommunismus sowie ihrer Hybris einer »arischen Herrenrasse«.

Die Erinnerung an Daten wie den 7. April 1933 sollten jeden Demokraten darin bestärken, heute jegliche Anzeichen von Judenfeindschaft und Fremdenfeindlichkeit, Rassendünkel und Chauvinismus ernst zu nehmen, den Neonazis entgegenzutreten und sich für ein Verbot der NPD stark zu machen.

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