Druck in der Herzkammer
Nach dem 22:24 in Brno hilft dem DHB-Team nur ein Sieg gegen Tschechien zur EM
Bedrohlich ist die Lage für den deutschen Handball, das wissen sie. »Wir stehen mit dem Rücken zur Wand«, sagte der Kieler Dominik Klein nach der schmerzhaften 22:24-Niederlage in der EM-Qualifikation im südtschechischen Brno. Aber erst einmal saß die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) im Bus, im Flugzeug und wieder im Bus. Von Wien flogen sie am Donnerstag nach Hannover und reisten weiter nach Halle/Westfalen, wo am Sonntag das Rückspiel gegen das Team von Superstar Filip Jicha ansteht. Ostwestfalen, das ist eine der Herzkammern des deutschen Handballs. Hier lebt die Leidenschaft für diese Sportart, und das ließ Klein bereits in Brno wieder Mut schöpfen: »Das ist seit der WM 2007 unser Stadion.«
Höhere Mathematik muss man nach der zweiten Niederlage in der Qualifikationsgruppe 2 für die Europameisterschaft 2014 in Dänemark nicht bemühen. »Es geht für uns Alles oder Nichts«, weiß der Göppinger Spielmacher Michael Haaß, der in Brno eine fragwürdige Rote Karte kassiert hatte. »Wir müssen am Sonntag unbedingt gewinnen, um uns die Chance für die letzten Spiele im Sommer in Montenegro und gegen Israel noch zu erhalten.« Mit 2:4-Punkten belegt die DHB-Auswahl schließlich derzeit nur den dritten Platz hinter Montenegro (6:0) und Tschechien (4:2), Israel blieb bisher sieglos.
Wenn das Team von Bundestrainer Martin Heuberger nicht auf Schützenhilfe angewiesen sein will, muss es die restlichen drei Spiele gewinnen, um mindestens Zweiter zu werden. »Wichtig wäre es, wenn wir gegen Tschechien mit drei Toren und damit den direkten Vergleich gewinnen«, weiß DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier. Der Druck, sagt Bredemeier, »ist jetzt noch mal gestiegen«. Eine verpasste Qualifikation für ein EM-Turnier gab es noch nie und hätte damit historische Dimensionen. Es geht darum, eine sportliche Katastrophe abzuwenden.
Sollte das nicht gelingen, wäre es sicher das Ende von Martin Heuberger als Bundestrainer. Der gab sich dennoch kämpferisch. »Wir standen vor der WM auch unter Druck«, sagte er trotzig, weil ja bekanntlich im Januar in Spanien beim Weltturnier ein fünfter Platz heraussprang. »Wir werden am Sonntag angreifen und wollen die Revanche für diese bittere Niederlage«, sagte der 48-Jährige. »Wir müssen unsere einfachen Fehler abstellen, das ist das, was wir beeinflussen können, daran müssen wir arbeiten.«
Die Niederlage in der »Hölle von Brno« sei keineswegs ein spielerischer Offenbarungseid gewesen. »Die Tschechen sind eine Macht zu Hause«, weiß Bredemeier. Auch hatten die Profis um ein Comeback nach dem 14:20-Rückstand gekämpft. Aber die Symptome für diese Pleite waren auch in Brno diejenigen, die seit Jahren beklagt werden: Die individuelle Qualität im deutschen Rückraum reichte über zu lange Strecken nicht für die hochgewachsene 6:0-Deckung der Tschechen. »Wir haben nun einmal keinen Jicha, wir können nur über das Kollektiv kommen«, sagt Heuberger. Einzig der überragende Steffen Weinhold aus Flensburg, der neun Treffer erzielte, fand immer wieder Lösungen gegen diese menschliche Mauer.
»Es fiel uns schwer, gegen diese Abwehr anzukämpfen«, sagte der 26-jährige Linkshänder Weinhold, der schon bei der WM sehr positiv aufgefallen war. »Wir müssen von der Spielanlage breiter spielen und unsere Außen besser einbinden«, lautet seine Forderung. Und wenn sein Team in Halle auch noch konsequenter das Tempospiel durchsetze, dann sei er sehr zuversichtlich für die Partie, die zu den wichtigsten in der DHB-Geschichte zählt.
Filip Jicha, das Zentrum des tschechischen Spiels, glaubt nach dem Triumph von Brno ebenfalls an eine mächtige Reaktion des deutschen Teams. »Das wird nicht jedes Mal passieren, dass wir ein starkes deutsches Team schlagen«, sagte Jicha. »Das wird ein völlig anderes Spiel.«
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