Gefangen in der Hartz-Logik?

Debatte um Wahlprogramm der LINKEN offenbart Gräben im Verständnis einer Grundsicherung

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Debatte über das Wahlprogramm der Linkspartei ist in vollem Gange. Heftig umstritten ist dabei, mit welcher Position zur sozialen Grundsicherung man sich dem Wähler zur Bundestagswahl in diesem Jahr präsentieren soll.

»Hartz IV muss weg!« So steht es im Wahlprogrammentwurf der Vorsitzenden der Linkspartei, über den derzeit in den Gliederungen der Partei diskutiert wird. Und im Weiteren: »Kurzfristig müssen die Regelsätze auf 500 Euro erhöht und die Sanktionen abgeschafft werden. Wir wollen ein Konzept einbringen, in dem keine Mindestsicherung mehr unter 1050 Euro liegt.« Dieses Konzept einer Mindestsicherung ist Gegenstand heftigen Streits, der auch im Online-Dossier des »neuen deutschland« nachzulesen ist. Denn ob 1050 Euro tatsächlich der angemessene Betrag sind oder nicht vielleicht zu hoch angesetzt, darüber gehen die Geister auseinander.

Ralf Krämer, Mitglied des Sprecherrates der »Sozialistischen Linken«, die einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht hat, hält diesen Betrag schon deshalb für eine falsche Bezugsgröße, weil er die mit ihm verbundene Pauschalisierung ablehnt. So meint Krämer, dass jemand in einer teuren Mietwohnung auch mit über 1050 Euro arm sein kann, ein anderer im eigenen Wohneigentum aber mit dieser Summe zu üppig versorgt, wenn man es an den Bedürfnissen des ersteren misst.

Für Jürgen Aust, Mitglied im Landesvorstand der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen und Sprecher des Landesverbandes der Antikapitalistischen Linken, führt das Herangehen der Sozialistischen Linken, wie sie Krämer vertritt, hingegen nicht zum Bruch mit der »Hartz-IV-Logik«, wie die LINKE ihn vertreten sollte, »sondern versucht lediglich, an den Rändern von Hartz IV nachzujustieren«. Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak wirft Krämer, ähnlich argumentierend, vor, dieser stelle damit eine »Grundposition der LINKEN in Frage, nämlich dass es eines soziokulturellen Existenzminimums für alle Menschen bedarf«.

Die Frage rührt an ein Grundverständnis der Partei, wie in der Gereiztheit der Sprache ablesbar ist. Krämer beschwert sich über Fehlinformationen, Diffamierungen und Falschbehauptungen, Aust darüber, dass ein Argument Krämers »eher von der sozialpolitischen Abteilung des Konrad-Adenauer-Hauses stammen könnte als von einer gewerkschaftsorientierten Strömung, die sich der Überwindung kapitalistischer Verhältnisse verschrieben hat«.

In dem Disput werden erneut jene grundlegenden Unterschiede deutlich, die sich auch in der Bejahung beziehungsweise Ablehnung eines bedingungslosen Grundeinkommens finden. Krämer lässt an seiner prinzipiellen Ablehnung keinen Zweifel, wenn er schreibt, es handele sich hier ausdrücklich um eine Mindestsicherung bei Erwerbslosigkeit zwecks Armutsvermeidung, nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen. »Letzteres wäre erst recht abstrus, ist aber auch definitiv nicht Beschlusslage der Partei und wird es auch nicht werden.«

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