Altes Credo, guter Ansatz: Euro - so nicht
Linke Alternativen zum Eurokurs von Kanzlerin und Kapital? Fabio De Masi reagiert auf die Kritik von Frank Puskarev
Wie geht die Linkspartei mit dem Aufstieg der euroskeptischen und an nationale Ressentiments appellierenden "Alternative für Deutschland" um? Welche linken Alternativen gibt es zum Eurokurs von Kanzlerin und deutschem Kapital? Und wie findet die Linke damit Anklang bei den Menschen? Fabio De Masi hat (hier) die Debatte mit einem Beitrag eröffnet. Frank Puskarev hat darauf geantwortet. Nun setzt sich De Masi mit der Kriitk auseinander. Die Debatte wird fortgesetzt.
Replik zu Frank Puskarev: Eine Alternative für Menschen - nicht für Deutschland / Von Fabio De Masi
Ich danke Frank Puskarev für seine Erwiderung auf meinen Beitrag zur “Alternative für Deutschland”. Dies ermöglicht eine sinnvolle Debatte.
Mein Beitrag war kein Plädoyer für eine Imitation der AfD. Mir ist auch bewusst - wie ich in dem Beitrag auch schreibe - dass die AfD eine rechtskonservative Partei ist, die kein Problem mit Sozialabbau und Hungerlöhnen hat. Mein Beitrag war ein Plädoyer genau an diesen Punkten die AfD zu stellen, statt verzweifelt die Europa-Fahne zu schwenken oder zu meinen, dass wir die AfD überwiegend über die (notwendige) Kritik an ihren übrigen gesellschaftspolitischen Ideen (Einwanderung etc.) entzaubern. Nach meiner Kenntnis wurde sich mittlerweile auch in der Parteiführung dementsprechend verständigt, was ich begrüße.
Darüber hinaus habe ich in meinem Beitrag begründet, warum es viele vernünftige Argumente gibt, warum eine Währungsunion theoretisch Vorzüge gegenüber frei schwankenden Wechselkursen hat. Ich bezweifle aber, dass sich Merkel, Draghi und die Deutsche Bank an unseren Theorien orientieren.
Ich finde es daher nötig, uns auf die Kritik der Realität zu konzentrieren. Das einstige Credo der PDS „Euro - so nicht“ wäre hierfür ein guter Ansatz, um uns im Wahlkampf von den vermeintlichen „Euro-Rettern“ abzugrenzen, und die unterschiedlichen Perspektiven in der LINKEN über die europäische Integration zu versöhnen. Daher fände ich es nötig, unser Alleinstellungsmerkmal im Wahlkampf zu betonen. Ich finde es falsch, im Wahlprogramm - trotz fataler Architektur der Euro-Zone - auf die „Verteidigung des Euros“ zu orientieren. Besser wäre es zu sagen was ist: Weder eine Euro-Zone mit Lohndumping, Kürzungspaketen und somit wirtschaftlicher Depression noch Wechselkurs-Casino mit nationalen Währungen (ohne kooperative Zentralbanken) bieten eine Perspektive. Damit umgeht man das Problem die Wähler/innen für etwas zu gewinnen (linke Euro-Politik), dass sie mit etwas anderem verbinden (reale Euro-Politik).
Korrektur der Lohnpolitik reicht nicht
In einem Punkt ist Frank Puskarevs Kritik jedoch berechtigt. Ich habe die Möglichkeiten zur Überwindung der Krise unter Beibehaltung des Euros tatsächlich etwas polemisch verkürzt (daher der Hinweis, dass auch eine Kombination der von mir benannten Strategien denkbar ist). So fehlte etwa der Hinweis auf die Möglichkeit der Abschöpfung hoher Vermögen, die ich in meinen politischen Schlussfolgerungen für zentral erachte. Dies war dem Umstand geschuldet, dass ich den Beitrag unter hohem Zeitdruck fertig stellen musste und das mir vom „nd“ gesetzte Zeichenlimit bereits allzu großzügig ausgeschöpft hatte. Daher hatte ich im Nachgang zur Veröffentlichung auf „nd“ eine leicht modifizierte Fassung auf der Website der Sozialistischen Linken veröffentlicht, die diese Aspekte aufgreift.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich unterstütze selbstverständlich Aufbauprogramme für die Krisenstaaten, auch finanziert aus Steuermitteln. Denn selbst die erforderliche Korrektur der Lohnpolitik in Deutschland würde die strukturellen Probleme in Ländern wie Griechenland nicht lösen. Die Wettbewerbsvorteile der deutschen Industrie wurden durch Lohndumping befördert, sie werden aber nicht automatisch durch eine Korrektur der Lohnpolitik behoben, weil die Krisenstaaten weitgehend de-industrialisiert wurden bzw. über keine nachhaltigen Produktionsstrukturen (derzeit Tourismus, Immobilien etc.) verfügen. Was soll Griechenland etwa exportieren?
Dies ist aber ein Unterschied zur Rettung von Banken und Vermögenden im Zuge der Euro-Rettung. Ich teile auch nicht die Einschätzung wonach das Problem ausschließlich die Kürzungspakete nicht aber die „Rettungspakete“ seien. Denn die Ungleichgewichte resultieren nicht nur aus den Löhnen. So hat die Expansion der Kreditvergabe im Immobiliensektor in Krisenstaaten in Kombination mit Kapitalzuflüssen die Ungleichgewichte weiter verstärkt, zum Beispiel über die Baukonjunktur. Theoretisch ließe sich argumentieren, es sei alles erst mal zu retten und um die Verteilung der Lasten kümmern wir uns über die Vermögensabgabe. Dies ist aber nicht nur fern jeder politischen Realität bzw. der Kräfteverhältnisse, sondern meines Erachtens auch ökonomisch nicht gerechtfertigt.
Fatale Architektur der Euro-Zone
Denn die Rettung ist kein „free lunch“. Die Weigerung der irischen Regierung bzw. der Troika eine Teil-Insolvenz des Bankensektors anzustreben hat reale Effekte: Die privaten Haushalte müssen ihren Konsum über den Schuldendienst einschränken. Die Vorstellung Krisenstaaten wir Irland, Zypern oder Nicht-Euro-Land Island könnten über erneute Kredite die Verbindlichkeiten von Banken absichern, welche die heimische Wirtschaftsleistung über ein Vielfaches der Wirtschaftsleistung übertreffen ist nicht nachzuvollziehen. Die Expansion der Finanzmärkte (Finanzialisierung) ist kein Null-Summen-Spiel: Vermögen hier und Schulden dort. Dies hat unter anderem der US-Ökonom und führende Linkskeynesianer Hyman Minsky in den 1980er Jahren so zutreffend analysiert. Zudem sind die Gläubiger von Volkswirtschaften mit hohen Netto-Auslandsverbindlichkeiten - trotz der enormen und nicht abgeschöpften Vermögen auch in diesen Ländern - nicht immer zwingend identisch mit ihrer eigenen Oligarchie. Linke Tasche, rechte Tasche - erst retten, dann Vermögende zur Kasse ist daher zu einfach. Einmal abgesehen davon, dass wir unseren ordnungspolitischen Ansatz - öffentliche Gelder (auch Bürgschaften & Kredite) nur gegen Regulierung und öffentliche Eigentumsrechte - mit einer unkonditionierten Rettung aufgeben.
Voraussetzung für die politische Akzeptanz von Aufbauprogrammen und zur Vermeidung von „Umverteilung in einer Klasse“ ist zudem die Abschöpfung hoher Vermögen. Sonst würde lediglich das Modell der Exportüberschüsse Deutschlands von den Steuerzahler/innen subventioniert. Die Beschäftigten würden dann zweimal für die Krise zahlen: Durch unzureichende Löhne und durch Transfers.
Eine Korrektur der Ungleichgewichte - etwa durch die Sanktionierung der chronischen Exportüberschüsse - teile ich als keynesianischer Ökonom selbstverständlich. Ich habe mich für derartige Mechanismen seit vielen Jahren ausgesprochen und hatte nicht ohne Widerstände dafür geworben einen solchen Mechanismus im Europawahlprogramm der LINKEN 2009 zumindest anzudeuten. Ich begründete meine Ablehnung der EU-Verträge auf dem Europaparteitag der LINKEN 2009 unter anderem unter Verweis auf die fatale Architektur der Euro-Zone.
Der politische Unterschied zu Frank Puskarevs Ausführungen ist ein Anderer: Ich glaube nicht, dass wir die Verteilungsfrage bzw. Korrektur der Lohnentwicklung über solche intellektuell anregenden Mechanismen auf EU-Ebene lösen. Dies würde voraussetzen, dass die EU-Kommission erledigen würde, was wir in harten Tarifkonflikten in Deutschland nicht schaffen: Eine deutlich bessere Lohnentwicklung durchzusetzen. Selbst John Maynard Keynes gelang es als Unterhändler der Regierung der einstigen Weltmacht Großbritannien nicht, diesen sinnvollen Ansatz auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges im Zuge der Konferenz von Bretton Woods durchzusetzen.
Mehr Europa heißt derzeit: mehr Merkel
Es gibt ja bereits derartige Mechanismen auf europäischer Ebene, etwa das Scoreboard zur Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte. Es wird aber stets zur Durchsetzung einer internen Abwertung via Lohnsenkung in den Krisenstaaten eingesetzt.
Ich glaube zudem, dass die Strategie der Bundesregierung nicht auf „weniger“ sondern „mehr“ Europa setzt. Es gibt ja Gründe dafür, dass die Bundesregierung nunmehr fordert und durchsetzt was sie vor der Krise immer ablehnte: Etwa eine europäische Wirtschaftsregierung. Der Finanzminister Schäuble fordert in jedem zweiten Satz die politische Union. Er fügt nur stets hinzu diese müsse am Ende von Strukturreformen stehen. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung will mehr Europa aber unter deutscher Führung und bei Härtung des neoliberalen Modells, um ihre Politik dem Zugriff der Demokratie und der Souveränität der Mitgliedsstaaten zu entziehen. Daher bin ich überzeugt: Wer bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen mehr Europa fordert, bekommt am Ende mehr Angela Merkel und überlässt den Unmut über die real existierende EU der politischen Rechten: zum Beispiel der AfD.
Oskar Lafontaine begründete seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur zu den Bundestagswahlen u.a. damit, dass er derzeit keine Chance zur Neuordnung der europäischen Finanzmärkte sehe. Ich bedaure seine Entscheidung, aber seine Einschätzung teile ich. Wir sollten unseren Wähler/innen daher keinen Sand in die Augen streuen sondern den Schleier lüften: Euro - so nicht.
Fabio De Masi ist Ökonom und Mitglied der Sozialistischen Linken. Er schreibt in seiner persönlichen Eigenschaft.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.