Wo viele Laster ihren Anfang hatten
Werdau lädt erneut zum IFA-Oldtimertreffen
Woher hatte der W 50 seinen Namen? Der im Straßenbild der DDR allgegenwärtige Lastkraftwagen, der in Ludwigsfelde vom Band lief, war für eine Nutzlast von fünf Tonnen ausgelegt; daher die Zahl. Was aber bedeutet der Buchstabe? Hans-Jürgen Beier hilft weiter: »Das W steht für Werdau«, sagt der Chef des Stadt- und Dampfmaschinenmuseums in der westsächsischen Stadt, »denn hier wurde der Lkw konstruiert.« Auch eine Nullserie sei im VEB Fahrzeugwerk »Ernst Grube« noch hergestellt worden - bevor die eigentliche Produktion in dem Werk im heutigen Brandenburg anlief.
Wie wichtig Werdau für die Fabrikation von Nutzfahrzeugen in der DDR war, lässt sich nicht nur an alten Typenbezeichnungen erkennen, sondern an diesem Wochenende wieder direkt erleben. Die Stadt lädt zur 16. Auflage eines Oldtimertreffens, das nicht den chromblitzenden Limousinen vorbehalten ist, sondern sich auf »Arbeitstiere« konzentriert: Lastwagen und Busse, Kranwagen, Kleintransporter. Rund 500 Fahrzeuge werden ab heute bis Sonntag in der Nähe des früheren Fahrzeugwerks zu besichtigen sein; das Gedränge dürfte groß sein: 12 000 Besucher seien 2012 gekommen, sagt Beier.
Begründet wurden die Treffen 1998, als Werdau auf 100 Jahre Tradition im Fahrzeugbau zurückblickte. Zunächst waren dort freilich in der »Sächsischen Waggonfabrik« Eisenbahnwagen auf die Gleise gestellt worden. In den 1930er Jahren kam es zu Fusionen und einer Insolvenz. Das Werk durfte nur fortbestehen, wenn es die Produktion von Schienenfahrzeugen aufgab. Also ging man in Werdau auf die Straße - was die Produktpalette anbetraf. Legendären Ruf erwarben sich dann die Lastwagen, die 1952 im Fahrzeugwerk vom Band liefen: der H 3 A als erstes Nachkriegsmodell, der G 5 mit markant gestreckter Motorhaube, der bullige S 4000. Sie waren schon beim ersten Treffen 1998 zu sehen. Dabei sei deutlich geworden, wie tief verwurzelt die Begeisterung für die Fahrzeuge in der Region um Werdau und Zwickau sei, sagt Beier. Die Stadt entschloss sich deshalb, das Treffen zu wiederholen - und begründete eine inzwischen 16-jährige Tradition. Die Veranstaltung wurde zum Besuchermagnet: Neben den ehemaligen Fahrzeugwerkern kommen Nutzfahrzeugfans von weither - das Treffen gilt inzwischen als größtes seiner Art in der Bundesrepublik.
Das Spektrum der ausgestellten Oldtimer ist dabei beschränkt: Der DDR-Nutzfahrzeugbau ist gewissermaßen ein »abgeschlossenes Sammelgebiet«. Dennoch gibt es Raritäten und wenig bekannte Modelle zu entdecken - Fleischer-Busse aus Gera zum Beispiel: Sie wurden nicht in großer Stückzahl hergestellt, weil die Busproduktion der sozialistischen Länder in Ungarn gebündelt wurde. In Werdau wird ein Fleischer-Bus zu sehen sein: ein 1985 hergestellter, vom Verein »Omnibus-Veteran Berlin-Brandenburg« restauriertes Modell vom Typ S 5. Bei dem Treffen, zu dessen Rahmenprogramm auch Stadtrundfahrten, Musik und Ausflüge in luftige Höhen am Seil eines Kranwagens gehören, steht das elegante Gefährt neben Kleintransportern vom Typ »Framo« aus Frankenberg, Lkw und Bussen von Garant und Robur aus Zittau oder den »Multicar«-Allzweckfahrzeugen aus Walthershausen.
Doch obwohl das Spektrum der Firmen und Modelle aus DDR-Produktion überschaubar ist, sei ein Wunsch in Werdau bisher offen geblieben, sagt Beier. In der Wismut sei zum Transport der Belegschaft ein Bus eingesetzt worden, der aus einer H 6 Z-Zugmaschine und einem Sattelaufleger bestand. Bislang suchte man vergebens. »Wenn davon noch einer auftauchen würde«, sagt der Museumschef, »wäre das die Sensation.«
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