»Weg mit Marin!«

Kampagne in Brasilien fordert Rücktritt des obersten Fußballfunktionärs wegen Diktaturverbrechen

  • Andreas Behn, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.
Wegen Verbrechen zu Zeiten der Diktatur in Brasilien gerät der Präsident des Fußballverbandes unter Druck. Fans und Politiker fordern die Absetzung von José Maria Marin.

José Maria Marin, umstrittener Präsident des brasilianischen Fußballverbands CBF, bekommt Ärger. »Ein Funktionär, der für Willkür, Folter und Mord zu Diktaturzeiten steht, darf nicht den brasilianischen Fußball repräsentieren«, erklärte Alessandro Moron, Bundesabgeordneter der regierenden Arbeiterpartei PT. Politiker, Menschenrechtler und Medienaktivisten starteten am Freitagabend auf Initiative des Fußballfanverbands »Frente dos Torcedores« in Rio de Janeiro die Kampagne »Weg mit Marin!«.

Marin wird vorgeworfen, Mitschuld an der Folter und Ermordung des Fernsehjournalisten Vladimir Herzog zur Zeit der Militärdiktatur (1964-1985) zu haben. Er war damals Abgeordneter der Arena-Partei, die gemeinsam mit den Militärs regierte. Mitschnitte seiner Reden belegen, dass er gegen Journalisten hetzte, die auf die Probleme im Land aufmerksam machten. »Er gehörte zu den Hardlinern, die damals vorsichtige Versuche einer Öffnung des Regimes bekämpften«, so der Bundesabgeordnete Chico Alencar von der Linkspartei PSOL während der Veranstaltung am Sitz des brasilianischen Presseverbands ABI.

Marin, der zugleich Vorsitzender des Organisationskomitees der WM 2014 ist, gilt zudem als korrupter, autoritärer Fußballfunktionär. Es ist schwer vorstellbar, dass Präsidentin Dilma Rousseff, die selbst von den Militärs gefoltert wurde, an seiner Seite das Fußballspektakel im Juni 2014 eröffnen wird. Mehrfach deutete Rousseff ihre Unzufriedenheit über die Leitung des Verbands an. Staatsunternehmen wurden angewiesen, keine Werbeverträge mit CBF zu abzuschließen.

Die Kampagne für Marins Absetzung unterstützt auch eine Gesetzesinitiative zur Demokratisierung des brasilianischen Fußballwesens. Da Fußball ein wichtiges Kulturgut sei und viel öffentliche Gelder erhalte, dürfe er nicht von einer Gruppe selbstherrlicher Funktionäre und einer privatrechtlichen Organisation wie dem CBF verwaltet werden. Gefordert wird eine öffentliche Kontrolle, Transparenz und die Einbeziehung der Fans.

Aushängeschild der Kampagne ist der ehemalige Fußballstar und jetzige Bundesabgeordnete Romário. Im Facebook forderte der Ex-Weltmeister Marin auf, dem Beispiels des brasilianischen FIFA-Ehrenpräsidenten João Havelange zu folgen, der vor einer Woche wegen Korruptionsvorwürfen zurück trat. Der Ethik-Kommission des Weltfußballverbands zufolge haben Havelange und Marins Vorgänger im CBF, Ricardo Teixeira, Schmiergelder in Millionenhöhe in die eigene Tasche gesteckt.

Für den PSOL-Abgeordneten Marcelo Freixo ist Marin »Teil dieser korrupten Fußballelite, die juristisch belangt werden müsste«. Er forderte, die beiden Stadien in Rio de Janeiro und im Bundesstaat Minas Gerais, die den Namen Havelange tragen, umzubenennen.

Ivo Herzog, Sohn des 1975 ermordeten Redaktionschefs des staatlichen Senders »TV Cultura«, Vladimir Herzog, hat mit Unterstützung von Menschenrechtsgruppen bereits 55 000 Unterschriften zur Absetzung Marins gesammelt. Auch die Wahrheitskommission, die vor einem Jahr zur Aufklärung der Diktaturverbrechen eingesetzt wurde, kündigte an, Marin zur Vernehmung vorzuladen.

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