Wahlkampf mit Wohnungen
Deutscher Mieterbund warnt in München vor Gefährdung des sozialen Friedens
Der Festsaal am Münchner Nockherberg war voll besetzt, als gestern der Deutsche Mieterbund (er vertritt rund drei Millionen Mitglieder) anlässlich des 65. Deutschen Mietertages unter dem Motto »Für bezahlbare Wohnungen und ein sozial gerechtes Mietrecht« zu einer öffentlichen Veranstaltung geladen hatte. Obwohl auch Beate Merk, Justizministerin in Bayern (CSU) und Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesbauministerium, als Redner geladen waren, war klar, dass Mieterfragen ein klassisches Spielfeld der SPD sind. Die trat dann auch gleich im Doppelpack von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf - die bevorstehenden Wahlgänge in Bayern und im Bund lassen grüßen.
Hatte Mieterbundpräsident Franz-Georg Rips in seiner Eröffnungsrede darauf hingewiesen, dass der Mietmarkt in Deutschland zwischen Wohnungsnot in Großstädten und Leerständen in der Provinz uneinheitlich sei, so schöpfte Ude aus dem Vollen, was die Probleme von Mietern in einer prosperierenden Großstadt wie München betrifft. Es gebe zwei verschiedene Arten von Zuwanderungen, so der SPD-Politiker, der als Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Bayern antritt. Das sei zum einen die Zuwanderung von Geld - jenen »vagabundierenden Milliarden«, die nach der Krise auf dem Finanzsektor nun die Flucht in das »Betongold« anträten. Als Folge explodierten die Immobilienpreise in attraktiven Städten geradezu, in München hätten sich diese Preise innerhalb eines Jahres (2012) verdoppelt.
Die zweite Zuwanderung sei die Zuwanderung von Armut und die geschehe vor allem aus den EU-Beitrittsländern im Osten Europas und aus den Krisenzonen des Euros im Süden: Aus Spanien, Griechenland und Portugal. Die Kommunen und regionalen Wohnungsmärkte hätten es so mit »europäischen Entwicklungen und Verwerfungen« zu tun, die nicht von heute auf morgen lösbar seien. Als »nackten Machtmissbrauch« bezeichnete Ude Mietsteigerungen bei Wiedervermietungen von Wohnungen, die so bis zu 50 Prozent teurer würden. Notwendig sei ein wachsender öffentlicher Wohnungssektor, der Verkauf von 33 000 Wohnungen der öffentlichen Hand in Bayern an einen privaten Investor sei hingegen ein »unverzeihlicher Kardinalfehler« der Staatsregierung.
Auch Bayerns Justizministerin Merk kritisierte die Praxis der verteuerten Wiedervermietung und stellte auch die Maklerprovisionen in Frage, verteidigte aber ansonsten das Mietrecht der Bundesregierung, bei dem zum Beispiel der Vermieter nun energetische Modernisierungskosten zu elf Prozent auf den Mieter umlegen kann.
Ganz in den Wahlkampf stieg SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit einem Blumenstrauß an Versprechungen ein. Die Mieterhöhung bei Wiedervermietung werde - als bundesweit einheitliche Regelung - auf zehn Prozent gedeckelt (die Union vertritt eine Begrenzung auf 15 Prozent als Kann-Bestimmung). Die Maklerprovision soll in Zukunft vom Vermieter bezahlt werden. Bezahlt werden soll auch nur noch die wirkliche Wohnfläche (derzeit haben die Vermieter noch einen Spielraum von minus zehn Prozent) und die Modernisierungskosten sollen nur noch zu neun Prozent (statt zu elf Prozent) umgelegt werden können. Zudem kündigte Steinbrück als Aktionsprogramm ein wohnungspolitisches Bündnis von Ländern, Kommunen, Bauwirtschaft und Gewerkschaften an, ebenso wie die Aufstockung des Etats für den sozialen Wohnungsbau.
Die Linkspartei verteilte vor dem Festsaal Flyer mit wohnungspolitischen Forderung wie Stopp der Privatisierung und Erhalt der Sozialbindung.
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