Herzrasen neben Maisfeldern

Im Aufstiegsduell zur Dritten Liga bei den Sportfreunden Lotte gelingt dem Topfavoriten RB Leipzig die Entscheidung erst in der Verlängerung

  • Andreas Morbach, Lotte
  • Lesedauer: 3 Min.
RB Leipzig hat im dritten Versuch den Aufstieg in die 3. Fußball-Liga geschafft. Mit einem mühsamen 2:2 nach Verlängerung bei den Sportfreunden Lotte gelang den Messestädtern der Einzug ins Profigeschäft. Für den Klub mit dem Millionensponsoren soll es nur eine Durchgangsstation gen Bundesliga sein.

Der graubärtige Mittsechziger auf der Haupttribüne der Lotter Arena hatte plötzlich Bedenken. »Bei so einem Spiel kann man schon mal was am Herzen kriegen«, meinte der Sympathisant des örtlichen Regionalligaklubs zu seiner Frau - kurz nachdem der eingewechselte Lotte-Spieler Dennis Schmidt in der letzten Minute der ausgedehnten Nachspielzeit zum 2:0 für die wackeren Sportfreunde getroffen und gegen Gigant RasenBallsport Leipzig eine Verlängerung erzwungen hatte.

In der fiel das gesteigerte Herzrasen beim Duell der blauen Däumlinge gegen die rot-weißen Riesen allerdings aus. In der 96. Minute verkürzte der ebenfalls eingewechselte Matthias Morys für Leipzig auf 1:2 - und die zwei Tore, die Lotte nun zum Aufstieg in die Dritte Liga fehlten, bekam das Team von Maik Walpurgis nicht mehr hin. Vielmehr gelang den Gästen durch einen verwandelten Foulelfmeter von Stefan Kutschke noch das 2:2 (110.), womit zugleich die drohende erste Saisonniederlage verhindert war.

Am Ende blieb es für die als Retortenklub verschrienen Sachsen inmitten von Laubwäldern, Wiesen und Maisfeldern bei einer kurzzeitigen Zitterpartie. Und nach zwei misslungenen Aufstiegsversuchen in die dritthöchste Spielklasse in den vergangenen zwei Jahren hat der von einem großen österreichischen Getränkehersteller intensiv geförderte Klub nun den ersten Schritt bei seinem mittelfristigen Plan hinbekommen. Der da lautet: Aufstieg in die Bundesliga.

In der nächsten Saison geht es für die Mannschaft von Alexander Zorniger nun erst einmal in Liga drei weiter. Mit einer Anhängerschaft, dessen philologische Abteilung sich bei der künstlerischen Vorbereitung auf das entscheidende Duell im Tecklenburger Land große Mühe gegeben hatte. Denn vor dem Anpfiff tauchten im RB-Block zwei gewaltige Transparente mit der Aufschrift »Curva Lipsia« auf. Die Leipziger Kurve befand sich letztlich zwar auf der Gegengerade, die intensive Unterstützung durch ihr 2500-köpfiges Gefolge nutzte das Team von Alexander Zorniger aber trotzdem zu einem beschwingt-rustikalen Start.

Nach zehn Minuten waren bei RB bereits Sebastian Heidinger und Rockenbach da Silva verwarnt - so dass die versammelte Lotter Gemeinde wegen der gegnerischen Härte früh mächtig in Wallung geriet. Aus den Händen der Sportfreunde-Fans regnete es reichlich Bier auf die Leipziger Spieler nieder - und nach 18 Minuten hätte Innenverteidiger Fabian Franke mit einem Kopfballtor nach einer Rockenbach-Ecke die Wut der Gastgeber um ein Haar weiter gesteigert. Doch Lotte-Keeper David Buchholz parierte und ebnete so den Weg für den Freudenausbruch, der das Stadion von Lotte acht Minuten später heimsuchte.

Nach einem Freistoß von Linksverteidiger Michael Hohnstedt traf Tobias Willers für den Meister der Regionalliga West zum 1:0. Der wuchtige Kapitän und Abwehrchef konnte seine Freude kaum bändigen, rannte völlig aufgelöst über den ganzen Platz. Denn auch er wusste: Nun hatte der Außenseiter aus der äußersten nördlichen Ecke von Nordrhein-Westfalen eine gute Stunde Zeit, um ein zweites Tor und damit eine Verlängerung zu erzwingen.

Allerdings gingen Lottes Kicker diese Aufgabe mit großer Hektik an. Insbesondere in Person von Offensivkraft Roman Prokoph, der zum einen häufig im Abseits stand und zum anderen bis zur Pause vier formidable Chancen verstreichen ließ. Immerhin war der geplante Coup der Sportfreunde gegen den letztlich übermächtigen Gegner zu diesem Zeitpunkt noch im Bereich des Möglichen. Umso mehr, als der blonde Reservemann Schmidt in der Nachspielzeit zum 2:0 traf und manchem Sportfreund auf der Tribüne das Herz zu flattern begann. Zumindest für ein paar wenige Minuten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -