Der schwere Weg in die richtige Tonne
Frankreich macht es sich mit Mülltrennung und Recycling noch immer recht einfach
Mülltrennung ist in Deutschland seit Langem selbstverständlich. In französischen Küchen hingegen finden sich selten mehrere Mülleimer. Zwar ist Mülltrennung theoretisch auch hier Pflicht, doch viele Gemeinden haben sich jahrelang hinter der von der EU tolerierten Übergangszeit versteckt. Deshalb stecken Mülltrennung und Recycling in Frankreich heute noch in den Kinderschuhen.
In Frankreich entscheidet jede Kommune selbstständig über die Mülltrennung und organisiert und finanziert diese selbst. So gibt es vor allem auf dem Land recht vorbildliche Kommunen, in denen Plastikabfälle, Glas, Dosen und Papier separat gesammelt werden. In den Großstädten aber, wo der meiste Müll anfällt, gibt es nach wie vor nur zwei Mülltonnen: eine für wiederverwertbare Tetrapacks, Papier und Plastikflaschen, und eine zweite für alles andere.
Die regionalen Unterschiede haben einheitliche Trennregeln oder Farbcodes bisher unmöglich gemacht. Entsprechend groß ist die Verwirrung. Plastikflaschen etwa kommen in die Recyclingtonne, Joghurtbecher oder Plastiktüten aber nicht. Die Folge: Weniger als 20 Prozent aller Plastikabfälle werden in Frankreich recycelt. Eine Weiterverwertung (fast) aller Verpackungen aus Kunststoff, wie sie in Deutschland schon seit mehr als 20 Jahren üblich ist, wird zurzeit erst in 50 kleinen Kommunen getestet. Mag dies in kleineren Orten funktionieren, so hat es deutlich weniger Erfolgschancen in den Großstädten. Dort landet der Müllbeutel - getrennt oder nicht - meist in der nächstbesten Tonne.
Entsprechend schlecht schneidet Frankreich im EU-Vergleich ab. Zwar wurden 2012 bereits 75 Prozent des korrekt getrennten Verpackungsmaterials wiederverwertet (gegenüber 13 Prozent im Jahr 1992), aber dies betraf eben nur den Müll, der in der richtigen Tonne gelandet war. Aus einer im März veröffentlichten Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA) geht jedoch hervor, dass in Frankreich lediglich 35 Prozent des Hausmülls recycelt werden. Damit landet das Land im EU-Vergleich auf dem zehnten Platz und liegt unter dem EU-Durchschnitt von 40 Prozent; ganz zu schweigen von der für 2020 vorgeschriebenen Rate von 50 Prozent des Mülls.
Frankreichs Rückstand lässt sich zum Teil durch die Art und Weise erklären, wie die Müllbeseitigung bislang finanziert wird: Die Müllgebühren werden in Form einer Kommunalsteuer erhoben, die nach der Größe der Wohnfläche berechnet wird. Da die Menge keine Rolle spielt, hat Müllvermeidung oder -trennung keine Auswirkungen auf die Rechnung. Seit Sommer 2011 können die Kommunen versuchsweise einen beliebigen Anteil der Müllsteuer in Bezug auf die Müllmenge berechnen. Noch aber ziehen die meisten Gemeinden die alte Abrechnung vor - weil sie einfacher ist, und vielleicht auch, weil sie so keine Rechenschaft über die Müllbeseitigung ablegen müssen. Doch ohne finanziellen Anreiz dürfte ein umweltfreundlicheres Müllkonzept in Frankreich wohl noch einige Jahrzehnte brauchen.
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