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Verzögern als Strategie

Zschäpe-Verteidigung beantragte Ende des NSU-Prozesses - und scheiterte

  • René Heilig, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Dienstag wurde vor dem Oberlandesgericht in München der Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier als Helfer der rechtsextremen Mörderzelle Mitangeklagte fortgesetzt. Was der Verteidigung die Gelegenheit gab, die Einstellung des Verfahrens zu fordern.

Beobachter mussten gestern lange warten, bis die Verhandlung sich dem eigentlichen Gegenstand nähern konnte. Dabei waren zwei der Angeklagten - Carsten Schultze und Holger Gerlach - durchaus bereit, Rede und Antwort zu stehen.

Doch es ging gestern erst mal wieder mit der Abteilung Anträge los. Anja Sturm, eine mit der Verteidigung von Beate Zschäpe beauftragte und dabei höchst beflissene Rechtsanwältin, brachte einen neuen ein: Inhalt: »Aufgrund der gezielten, von den Strafverfolgungsbehörden selbst gesteuerten und betriebenen Vorverurteilung unserer Mandantin« sei ein fairer Prozess nicht mehr durchführbar. Ergo: Schluss damit! Der »Sturmlauf« dauerte eine Stunde und zehn Minuten. So lange brauchte die Verteidigerin, um zu erklären, wieso aus ihrer Sicht zu befürchten sei, dass Zeugen durch Äußerungen des Generalbundesanwaltes, des Präsidenten des Bundeskriminalamtes und durch allerlei verantwortliche Politiker beeinflusst wurden und werden.

Auch in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sei »eine manifeste Vorverurteilung« ihrer Mandantin vorgenommen worden. Man habe Zschäpe wiederholt als »Mitglied einer Mörderbande« bezeichnet, »ohne dass in den Äußerungen überhaupt zum Ausdruck kam, dass es sich um einen Tatverdacht handelt«.

Verwiesen wurde auch auf fehlende oder geschredderte Akten, die eine wichtige Grundlage zur Beurteilung der Vorwürfe seien. Zugleich kritisierte die Verteidigung der Hauptangeklagten, dass kein Verfahrensbeteiligter sich ein Bild über die Vielzahl und die Rolle von sogenannten Vertrauenspersonen machen kann, die im Umfeld der Angeklagten als Spitzel gewirkt haben. Verwiesen wurde auf Leute wie Tino Brandt (»Otto«), Thomas Richter (»Corelli«), auf Thomas Starke, (VP 562 des Berliner Landeskriminalamtes), Kai Dalek aus Bayern oder auf Carsten Szeczepanski alias »Piatto« aus Brandenburg. Nun sei in Baden-Württemberg ein »Krokus« erblüht.

Die Fakten sind nicht aus der Luft gegriffen. Und es stimmt auch, dass man die Kenntnisse über V-Leute und mache Operation der geheimen Dienste zumeist durch Medien erlangte, denn die Sicherheitsbehörden hätten Quellenschutz zumeist über das Aufklärungsinteresse gestellt.

Die Bundesanwaltschaft beurteilte wie Vertreter der Nebenklage den Antrag der Zschäpe-Verteidigung als unbegründet. Ein weiterer Antrag, diesmal aus den Reihen der Nebenkläger, betraf die Prozessbeobachtung durch Vertreter des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Beide Behörden hatten die Entsendung von Mitarbeitern schriftlich angekündigt, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen und Partner wie beispielsweise Staatsschutzabteilungen in den Ländern zu informieren. Eine solche Vorgehensweise sei, so der Tenor des Antrages, im Interesse einer geordneten Prozessführung nicht tolerierbar. Die Verteidiger von Zschäpe und Wohlleben schlossen sich dem Antrag an. Und der Vorsitzende fragte in die Runde: »Sind behördliche Beobachter im Saal?«

Gegen 16 Uhr kam es zur Vernehmung des ersten Angeklagten. Carsten Schultze schilderte sein Heranwachsen in Jena; wie er merkte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Quasi parallel zu seinen verzweifelten Bemühungen, nicht zuzulassen, dass etwas mit ihm »nicht stimmte«, sei er hineingeschlittert in die rechtsextreme Szene. Namen bekannter Neonazis wie die der Gebrüder Kapke fielen. Der Mitangeklagte »Herr Wohlleben« habe sich einmal abwertend über Schwule ausgelassen, da sei Schultze klar gewesen, dass sein Platz nicht bei den Neonazis sein konnte. Dennoch: Schultze, so sagt die Anklage, hat die Waffe besorgt, mit der neun Menschen hingerichtet wurden.

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