Österreich flieht vom Golan

Rückzug der Blauhelmsoldaten schädigt Ruf der UNO

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Ganze zwei Stunden hat die Regierungskoalition in Wien gebraucht, um eine folgenschwere Entscheidung zu treffen: Österreich beendet - nach 39 Jahren - seine Blauhelmmission auf den Golanhöhen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon war offensichtlich über den Schritt der Österreicher nicht informiert. Er spricht vom nun fehlenden »Rückgrat« der ganzen Mission. Israel ist verärgert. Und für Syrien bedeutet der Abzug, dass nun Frankreich und Großbritannien freie Hand für Interventionen jeder Art haben.

Donnerstagvormittag überschlugen sich die Ereignisse. Nicht identifizierbare Kämpfer syrischer Rebellengruppen besetzten das sogenannte Bravo-Gate im Westen der etwa 80 Kilometer langen und an manchen Stellen nur wenige Hundert Meter breiten Sicherheitszone auf den Golanhöhen. Die in unmittelbarer Nähe stationierten österreichischen UN-Soldaten flohen in ihre Bunker. Die seit 1974 entmilitarisierte Zone, die den syrisch-israelischen Waffenstillstand garantieren soll, war mit der Attacke der Rebellen - übrigens nicht zum ersten Mal - zum innersyrischen Kampfgebiet geworden.

Schon am frühen Nachmittag beendete die syrische Armee den offensichtlich nur provokativ gemeinten Vormarsch der Islamisten und stellte die Ausgangslage wieder her. Dafür drang freilich auch sie mit schwerem militärischen Gerät in die Zone ein. Bei einem kurzen Feuergefecht wurden zwei indische UN-Soldaten leicht verletzt.

Österreich stellt mit 380 Soldaten den Kern der insgesamt 1050 Mann starken Truppe, Soldaten aus den Philippinen, Indien und anderen Staaten ergänzen die UN-Mission. Über die Jahrzehnte haben sich mehrere Generationen österreichischer Verteidigungsminister und Regierungschefs mit dieser Vorzeigemission geschmückt, sie haben den neutralen Charakter des Landes unterstrichen und zuletzt auch Aufforderungen der USA, sich an Einsätzen in Irak oder Afghanistan zu beteiligen, mit dem Argument zurückgewiesen, man sei auf dem Golan auf Friedensmission. Viel mehr könne von dem kleinen Land nicht erwartet werden.

Damit ist nun Schluss. In einer eilig einberufenen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates haben sich Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) der Einschätzung des neuen Verteidigungsministers Gerald Klug (SPÖ) angeschlossen, dass die Sicherheit der österreichischen Soldaten nicht mehr gewährleistet sei und ein Rückzug in zwei bis vier Wochen stattfinden wird. Die beiden Fraktionschefs der Koalitionsparteien, Josef Cap (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP), waren in einer abendlichen Fernsehsendung schon ehrlicher: Nicht um die unmittelbare Sicherheit ging es, so konnte man aus ihren Erklärungen heraushören, sondern um die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber Syrien.

Mit anderen Worten: Österreich will französischen und britischen Waffenlieferungen und eventuellen anschließenden Interventionen von Spezialtruppen nicht im Wege stehen. Kroatische UN-Soldaten hatten schon Wochen zuvor den Golan verlassen, als ruchbar wurde, dass Zagreb Waffen an die Rebellen geliefert hatte.

Mit dem plötzlichen Rückzug der Österreicher, der womöglich das Ende der gesamten Mission auf den Golanhöhen bedeutet, nimmt es Wien in Kauf, der UNO in den Rücken zu fallen. Der Schaden geht weit über den brüchigen syrisch-israelischen Waffenstillstand hinaus, wie die Stellungnahme eines israelischen Regierungsvertreters deutlich macht. Der meinte gegenüber dem britischen »Guardian«, dass Israel wohl in Zukunft auch bei etwaigen Lösungen des Konflikts mit den Palästinensern keine UNO-Friedenstruppen akzeptieren werde, weil die »beim ersten Anzeichen von Ärger verschwinden«. Wiens Flucht hat die Reputation der UNO insgesamt beschädigt.

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